Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 19.07.2023 (Az. B 6 KA 5/22 R) festgestellt, dass die Anordnung des Ruhens der Zulassung auch dann Vorrang vor einer Zulassungsentziehung wegen Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit hat, wenn während des Zulassungsentziehungsverfahrens ein Sitzverlegungsantrag gestellt wird und eine Aufnahme der Tätigkeit am neuen Standort in angemessener Frist zu erwarten ist.
In dem vom BSG zu entscheidenden Fall hatte ein MVZ aufgrund einer geplanten Verlegung des Standorts vor, die vertragsärztliche Tätigkeit wieder aufzunehmen, sobald die Sitzverlegung an den neuen Standort genehmigt worden wäre. Nachdem der zuständige Zulassungsausschuss erfahren hatte, dass die Laborräume des MVZ der Klägerin seit ca. sechs Monaten leer standen, hörte er die Trägerin des MVZ zu einer möglichen Zulassungsentziehung wegen Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit an und entzog in der Folge dem MVZ die Zulassung mit der Begründung, dass dieses seine vertragsärztliche Tätigkeit seit neun Monaten nicht mehr ausgeübt habe.
Das BSG hat nunmehr entschieden, dass diese Zulassungsentziehung unverhältnismäßig war, da die Voraussetzungen für die Anordnung des Ruhens des Verfahrens vorgelegen hätten. Im Einzelnen führt das BSG hierzu aus:
Eine gröbliche Pflichtverletzung, wie sie § 96 Abs. 6 SGB V als Voraussetzung für die Entziehung vorsieht, habe nicht vorgelegen. Von einer solchen gröblichen Pflichtverletzung sei sowohl nach der Rechtsprechung des BVerfG als auch gem. dem Urteil des BSG auszugehen, wenn die gesetzliche Ordnung der vertragsärztlichen Versorgung durch das Verhalten des Arztes in erheblichem Maße verletzt werde und das Vertrauensverhältnis zu den vertragsärztlichen Institutionen tiefgreifend und nachhaltig gestört sei, sodass ihnen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vertragsarzt nicht mehr zugemutet werden könne.
Dies konnte der BSG im vorliegenden Fall nicht feststellen:
Zwar habe das MVZ seine vertragsärztlichen Pflichten verletzt, die Voraussetzungen für eine gröbliche Pflichtverletzung lägen jedoch nicht vor. Die Trägerin des MVZ hätte die vertragsärztliche Tätigkeit in dem von ihr betriebenen MVZ zwar nicht einstellen dürfen, bevor die Frage der Fortsetzung der Tätigkeit an dem neuen Standort geklärt war. Grundsätzlich könne, so das BSG, von Vertragsärzten bzw. MVZ, die ihren Sitz verlegen wollen, erwartet werden, dass sie die Versorgung der Versicherten am alten Standort nicht vorzeitig beenden. Dies hätte jedoch keine Zulassungsentziehung zur Folge haben dürfen, da im Fall der Nichtaufnahme bzw. der Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit stets voranging ein Ruhen der Zulassung nach § 95 Abs. 5 SGB V i.V.m. § 26 Ärzte-ZV in Betracht komme, da die (Wieder-)Aufnahme der Tätigkeit in angemessener Frist im vorliegenden Fall zu erwarten war.