Die Frage einer wirksamen Einwilligung in medizinische Eingriffe wird im Rahmen von Arzthaftungsprozessen immer wieder thematisiert. Der BGH hatte sich nun erneut mit der Problematik auseinanderzusetzen und hat sich in einer Leitsatzentscheidung vom 05.11.2024 (VI ZR 188/23) zu den Anforderungen, welche an die Aufklärung über medizinische Eingriffe zu stellen sind, geäußert.
Der Entscheidung lag dabei folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger begehrte von dem Beklagten materiellen und immateriellen Schadensersatz wegen Aufklärungspflichtverletzungen im Zusammenhang mit einem arthroskopischen Eingriff am Fuß. Hinsichtlich der geplanten arthroskopischen Untersuchung Behandlung/Operation des Sprunggelenks lag im streitgegenständlichen Fall ein Aufklärungsbogen vor, den der Kläger und der Beklagte, der behandelnde Arzt, mit dem Datum 1. Juni 2016 unterzeichneten. Im August 2016 fand ambulant der arthroskopische Eingriff statt, bei der darauffolgenden Operation im September 2016 wurden weitere freie Gelenkkörper im vorderen und hinteren Teil des oberen Sprunggelenks entfernt. Nach der ersten aber noch vor der zweiten Operation klagte der Kläger über Missempfindungen bei Berührungen des Fußrückens, in der Folge nahmen die Schmerzen im rechten Fuß zu. Es wurde in der Folge festgestellt, dass es im Rahmen der Arthroskopie intraoperativ zu einer Nervenschädigung gekommen war.
Der Kläger machte mit der Klage nunmehr geltend, nicht über die Behandlungsalternativen sowie das Risiko der Arthroskopie, insbesondere nicht über das Risiko der Nervenschädigung, aufgeklärt worden zu sein. Auch habe der Beklagte ihn fehlerhaft nicht darauf hingewiesen, dass die Operation nur relative Erfolgschancen biete und möglicherweise nicht alle Gelenkkörper entfernt werden könnten. Er sei infolge der Operation erwerbslos, zu 60% schwerbehindert und dauerhaft erwerbsunfähig. Der Beklagte ist dem entgegengetreten und hat den Einwand der hypothetischen Einwilligung erhoben.
Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen, die Berufung des Klägers hatte das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgte der Kläger sein Klagebegehren in vollem Umfang weiter.
Der BGH hob nun das Urteil des Oberlandesgerichts insoweit auf, als das Berufungsgericht auf Aufklärungsfehler gestützte Schadensersatzansprüche verneinte. Im Umfang der Aufhebung wurde die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung begründete der BGH wie folgt:
Die wirksame Einwilligung des Patienten setzt dessen ordnungsgemäße Aufklärung voraus (§ 630d Abs. 2 BGB). Dabei müssen die in Betracht kommenden Risiken nicht exakt medizinisch beschrieben werden. Es genügt nach Ausführungen des BGH vielmehr, den Patienten „im Großen und Ganzen“ über Chancen und Risiken der Behandlung aufzuklären und ihm dadurch eine allgemeine Vorstellung von dem Ausmaß der mit dem Eingriff verbundenen Gefahren zu vermitteln, ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmern.
Zu den Modalitäten der Aufklärung bestimmt auch § 630e Abs. 2 BGB, dass die Aufklärung mündlich zu erfolgen hat und ergänzend auf Unterlagen Bezug genommen werden kann, die der Patient in Textform erhält. Die mündlich gebotene Vermittlung der Chancen und Risiken der Behandlung „im Großen und Ganzen“ und damit einer allgemeinen Vorstellung von dem Ausmaß der mit dem Eingriff verbundenen Gefahren verlangt jedoch, dass diese Gefahren auch im Gespräch genannt werden. Lediglich ergänzend, sprich zur Wiederholung des Gesagten und als Gedächtnisstütze, zur bildlichen Darstellung und zur Verbesserung des Verständnisses des mündlich Erläuterten und zur Vermittlung vertiefender Informationen, die hilfreich, für das Verständnis der Risiken aber nicht unbedingt notwendig sind, kann (muss aber nicht) auf Informationen in Textform Bezug genommen werden. Der für die selbstbestimmte Entscheidung notwendige Inhalt muss jedoch mündlich mitgeteilt werden.
Damit konkretisiert der BGH seine Entscheidung vom 11.10.2016 (VI ZR 462/15) und verdeutlicht erneut die Relevanz der mündlichen Aufklärung. Obwohl die Dokumentation nicht (ausschließlich) aus Gründen der Beweisführung im Rahmen etwaiger Rechtstreitigkeiten erfolgt, empfiehlt es sich, dem Aufklärungsbogen während des Aufklärungsgesprächs handschriftliche Notizen und Zeichnungen hinzuzufügen, anhand welcher sich der Inhalt des mündlichen Aufklärungsgesprächs nachvollziehen lässt. Um die Beweisführung zu erleichtern, kann auf dem Aufklärungsbogen außerdem die Dauer des Aufklärungsgesprächs (Beginn und Ende des Gesprächs) handschriftlich notiert werden. Es ist darüber hinaus nicht ratsam, den Aufklärungsbogen im Original mitsamt den handschriftlichen Notizen an den Patienten