Das Oberlandesgericht Köln hatte sich in einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 03.02.2025 – 5 U 84/24) mit einem häufig auftretenden Problem aus dem Bereich der zahnärztlichen Behandlung und daraus resultierenden Honoraransprüchen zu befassen. Konkret ging es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Nutzung einer objektiv unbrauchbaren zahnärztlichen Versorgung vorliegt, die ein Interesse des Patienten an der Leistung des Zahnarztes begründet und zum Fortbestand des Honoraranspruchs führt.

Zum Fall
Der Entscheidung lag der in der täglichen Praxis regelmäßig vorkommende Fall einer Honorarforderung aus einer Zahnersatzversorgung zugrunde, die zum Zwecke der Abrechnung an ein Abrechnungsunternehmen abgetreten wurde. Dieses hat gegen den Patienten Klage auf Zahlung des Honorars zu dem Landgericht Köln erhoben. Bereits in erster Instanz wurde durch ein Sachverständigengutachten festgestellt, dass die Zahnersatzversorgung aufgrund von Passungenauigkeiten und anderen Mängeln (Stufenbildung, Unterhakbarkeit der Kronen) unbrauchbar war und erneuert werden musste. Der beklagte Patient wandte daher einen Behandlungsfehler ein und kündigte den Behandlungsvertrag. Als „Notfallmaßnahme“ behielt der Patient die Versorgung bis zur endgültigen gerichtlichen Klärung und Anhörung des Sachverständigen in situ und begann erst dann mit der erforderlichen Neuversorgung. Mit einer Drittwiderklage machte der Patient zudem Schadenersatzansprüche gegen die Praxis geltend.

Das Landgericht Köln gab der Klage statt und wies die Drittwiderklage teilweise ab. Hiergegen wandte sich der Beklagte erfolgreich mit dem Rechtsmittel der Berufung, die zu einer Abweisung der ursprünglichen Honorarklage führte.

Die Entscheidung
Die Entscheidung ist im typischen „Beziehungsdreieck“ der zahnärztlichen Abrechnung (Zahnarzt, Patient, Abrechnungsunternehmen) angesiedelt. Regelmäßig wenden Patienten gegen die zahnärztlichen Honorarforderungen ein, dass die Leistung unbrauchbar sei und deshalb eine Vergütungspflicht hierfür entfalle. Das Oberlandesgericht Köln arbeitete hierzu nochmals die Besonderheiten heraus und betonte die Hürden, die es zu überwinden gilt, um den zahnärztlichen Honoraranspruch zu Fall zu bringen:

Damit der geltend gemachte Vergütungsanspruch für eine zahnärztliche (meist prothetische) Behandlung entfallen kann, bedarf es zunächst der (konkludenten) Kündigung des Behandlungsvertrages durch den Patienten. Dieser muss geltend machen, dass er an der Leistung kein Interesse mehr hat. Während beispielsweise in Situationen des Kaufs der Nachweis des Interessefortfalls genügen mag, bedarf es in der Behandlungssituation der Feststellung der sog. „Unbrauchbarkeit“ der Leistung. Hieran sind hohe Anforderungen zu stellen. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Leistung für den Patienten nur dann vollständig unbrauchbar, wenn ein Nachbehandler auf ihr nicht aufbauen und durch eine Nachbesserung gegenüber einer Neuherstellung Arbeit ersparen kann (vgl. auch BGH NJW 2011, 1674). Die für den Patienten möglicherweise bestehende objektive Wertlosigkeit genügt hingegen ausdrücklich nicht.

Handelt es sich gemessen an diesem Maßstab um eine für den Patienten (nur) wertlose Leistung, bleibt der Vergütungsanspruch gleichwohl dann erhalten, wenn der Patient Versorgung tatsächlich nutzt, sie für ihn daher subjektiv von Wert ist (vgl. Senat NJW-RR 2020, 1124 und 12.2.2020 – 5 U 43/18, BeckRS 2020, 22339). Somit wird eine Ausnahme vom Entfallen der Vergütungspflicht angenommen, wenn die Leistung als solche einen wirtschaftlichen Wert besitzt und ein selbstständig verwertbarer Arbeitsanteil fortbesteht. Hierfür spricht insbesondere eine tatsächliche Nutzung des Patienten, insbesondere, wenn der Patient die Versorgung auch tatsächlich als Versorgung nutzen will, obwohl er eine reelle und zumutbare Möglichkeit hat, sie nicht zu nutzen.

Der Senat hat in seiner Entscheidung jedoch unmissverständlich klargestellt, dass eine tatsächliche Nutzung nicht schon dann vorliegt, wenn der Patient die Versorgung als eine Art „Notmaßnahme“ weiternutzt. Er muss hingegen ernstliche Absichten einer Neuversorgung erkennen lassen, so zum Beispiel durch Durchführung einer Begutachtung, Einholung von Heil- und Kostenplänen für die Neuversorgung oder Ähnlichem, damit nicht der Anschein entsteht, dass er an einer Neuversorgung kein Interesse mehr hat. Nach Auffassung des Senats wird man dem Patienten aber nicht entgegenhalten können, dass er die gerichtliche Begutachtung aus Gründen des möglichen Beweisverlustes durch Neuversorgung abwarten möchte.

Praxishinweis
In zahnärztlichen Abrechnungsprozessen wird der Einwand fehlerhafter Behandlung zunehmend erhoben. Für die Zahnärzte ist hierbei zunächst von prozessualem Vorteil, dass die Hürden an die Feststellung der völligen Unbrauchbarkeit recht hoch sind. Auch gilt es genau zu prüfen, ob dem Patienten nicht doch eine Nutzung des Zahnersatzes und damit eine jedenfalls subjektive Werthaltigkeit entgegengehalten werden kann.

Dennoch ist Vorsicht geboten: eine festgestellte vollständige Unbrauchbarkeit der Leistung führt zum Entfall des Honoraranspruchs und gleichzeitig zur Feststellung eines Behandlungsfehlers, der weitere Haftungsansprüche nach sich ziehen kann. Im Umkehrschluss muss die Feststellung eines Behandlungsfehlers aber nicht zwangsläufig zum Entfall des Honoraranspruchs führen, da die Hürden höher sind. In zahnärztlichen Honorarprozessen darf daher die haftungsrechtliche Komponente nicht aus den Augen verloren werden, da es hier zu abweichenden, teils unbefriedigenden Ergebnissen kommen kann. Sprechen Sie uns daher gerne an!