Immer mehr Ärzte und Zahnärzte absolvieren ihre Ausbildung außerhalb von Deutschland. Das VG Hannover (Az.: 7 A 219/23) hatte sich nun mit der Frage der Gleichwertigkeit einer Weiterbildung in einem EU-Mitgliedstaat zu beschäftigen und kam zu dem Ergebnis, dass kein Raum für eine Einigungs- oder Fachzahnarztprüfung bestehe, wenn einer Zahnärztin oder einem Zahnarzt der Nachweis gelingt, dass ihr oder sein Weiterbildungsstand aufgrund einer Weiterbildung in einem EU-Mitgliedstaat gleichwertig ist.
Die Klägerin, eine spanische Zahnärztin, begehrte die Anerkennung der Gebietsbezeichnung „Fachzahnärztin für Kieferorthopädie“ nach der Weiterbildungsordnung (WBO) der beklagten Zahnärztekammer. Nach dem Abschluss ihres Zahnmedizinstudiums in Spanien im Jahr 2008 absolvierte sie ein dreijähriges, vollzeitiges Masterstudium in Kieferorthopädie an der Universität in Madrid mit umfangreichen theoretischen und praktischen Anteilen. Seit 2012 arbeitet sie ausschließlich kieferorthopädisch in Deutschland. Ihren Antrag auf Anerkennung ihrer Qualifikation lehnte die Beklagte 2022 ab, da ihre Ausbildung nicht den strukturellen Anforderungen der WBO entspreche. Zwar wurde ihr Ausbildungsstand inhaltlich als gleichwertig anerkannt, aber nicht als strukturierte Weiterbildung im Sinne der WBO gewertet. Statt einer unmittelbaren Anerkennung bot die Beklagte der Klägerin die Teilnahme an der Fachzahnarztprüfung nach § 9 Abs. 2 WBO an. Die Klägerin hält dies für rechtswidrig, da § 5 Abs. 2 WBO lediglich auf inhaltliche Gleichwertigkeit und nicht auf strukturelle Anforderungen abstelle. Sie sieht ihr Recht auf Anerkennung ihrer Qualifikation verletzt und klagte daher auf die unmittelbare Verleihung der Fachzahnarztbezeichnung.

Die als Versagungsgegenklage erhobene Klage war zulässig und begründet:

Der ablehnende Bescheid der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat damit einen Anspruch auf Anerkennung der Gebietsbezeichnung im Bereich Kieferorthopädie gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1, § 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 des niedersächsischen Kammergesetzes für die Heilberufe (HKG) in Verbindung mit § 5 Abs. 2 Satz 1 der Weiterbildungsordnung (WBO). Im Einzelnen gilt:
Nach § 34 HKG darf eine entsprechende Bezeichnung nur führen, wer eine Anerkennung durch die Kammer erhalten hat. Gemäß § 35 Abs. 2 HKG wird diese Anerkennung auf Antrag erteilt, wenn eine Weiterbildung nach den §§ 37, 38 HKG erfolgreich abgeschlossen wurde (Nr. 1), eine gleichwertige Weiterbildung durchlaufen und deren Gleichwertigkeit nachgewiesen wurde (Nr. 2) oder ein im Ausland erworbener Weiterbildungsnachweis vorliegt, der gemäß der Richtlinie 2005/36/EG anzuerkennen ist (Nr. 3). Die Weiterbildungsordnung regelt gemäß § 41 HKG das Nähere, insbesondere auch zur Anerkennung ausländischer Nachweise.

§ 5 Abs. 2 WBO sieht vor, dass Antragstellerinnen und Antragsteller mit einem Weiterbildungsnachweis aus einem Mitgliedstaat die Anerkennung erhalten, wenn der Weiterbildungsstand als gleichwertig einzustufen ist. Diese Gleichwertigkeit liegt vor, wenn keine wesentlichen Unterschiede in Bezug auf Inhalte oder Dauer gegenüber der inländischen Weiterbildung bestehen. Solche Unterschiede können durch nachgewiesene Kenntnisse kompensiert werden. Nur wenn wesentliche Unterschiede vorliegen, ist eine Eignungsprüfung erforderlich.
Im vorliegenden Fall waren sowohl die formellen als auch die materiellen Voraussetzungen gegeben. Die Anforderungen an die Weiterbildung sind verfassungsrechtlich durch die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und den Patientenschutz (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) geprägt, wobei eine gründliche und umfassende Prüfung der Qualifikation notwendig ist, um das Vertrauen in die Fachzahnarztbezeichnung zu rechtfertigen.

Die Anerkennung von Berufsqualifikationen innerhalb der EU kann entweder automatisch oder über eine individuelle Gleichwertigkeitsprüfung erfolgen. Im Fachbereich Kieferorthopädie gibt es keine automatische Anerkennung für Spanien, da dort keine Qualifikation gemäß Anhang V Nr. 5.3.3 der RL 2005/36/EG aufgelistet ist.
Die Klägerin hatte jedoch eine Weiterbildung außerhalb der §§ 37, 38 HKG erfolgreich abgeschlossen. Die Frage ist, ob das von ihr vorgelegte Zeugnis der Universität in Madrid ein Ausbildungsnachweis über eine Weiterbildung aus einem Mitgliedstaat im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 WBO ist. Der Begriff des Ausbildungsnachweises ist weit zu verstehen und umfasst auch sonstige Befähigungsnachweise, so das VG. Die Kammer war überzeugt, dass es sich bei dem Zeugnis der Klägerin um einen solchen Nachweis handelt. Die Weiterbildung beinhaltete sowohl eine theoretische Ausbildung als auch praktische Tätigkeit über mehrere Jahre, inklusive der Versorgung zahlreicher Patienten.
Das absolvierte Masterstudium erfülle sowohl die inhaltlichen als auch die zeitlichen Anforderungen an eine Weiterbildung. Dass der Nachweis von einer Universität stammt, stehe dem nicht entgegen.

Die Argumentation der Beklagten, wonach der spanische Masterstudiengang nicht den strukturellen Anforderungen der WBO entspreche, verfängt indessen nicht. Denn § 5 Abs. 2 WBO stellt ausdrücklich nicht auf den strukturellen Gleichlauf, sondern auf die Gleichwertigkeit des Weiterbildungsstandes ab. Das wird auch durch Wortlaut und Systematik deutlich. Ein struktureller Gleichlauf würde den unionsrechtlichen Vorgaben widersprechen, insbesondere der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit.
Auch die Behauptung, Spanien habe keine Weiterbildung in der Kieferorthopädie etabliert, ist unbeachtlich, da § 5 Abs. 2 WBO gerade für solche Fälle der individuellen Gleichwertigkeitsprüfung geschaffen wurde. Die Beklagte konnte keine wesentlichen Unterschiede feststellen, die eine Eignungsprüfung erforderlich machen würden.
Die Forderung einer Eignungsprüfung war damit rechtswidrig und der Klage stattzugeben.