Das LSG Berlin-Brandenburg hatte in einem aktuellen Urteil vom 19.2.2025 (Aktenzeichen L 7 KA 23/22) über die fachlichen Qualifikationen im Rahmen des Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 SGB V zu entscheiden. Konkret besaß ein MVZ einen hälftigen Versorgungsauftrag im Fachgebiet Chirurgie/Orthopädie, der vormals mit zwei Fachärzten für Chirurgie im Rahmen einer Anstellung besetzt war. Nachdem die Arztstellen vakant wurden, beantragte das MVZ die Umwandlung des „Angestellten-Sitzes“ in eine hälftige Zulassung sowie deren Ausschreibung im Rahmen eines Nachbesetzungsverfahrens nach § 95 Abs. 9b Hs. 2 SGB V.
Auf den ausgeschriebenen Sitz bewarb sich der Kläger (FA für Chirurgie, FA für Orthopädie und Unfallchirurgie). Weiterhin bewarb sich eine örtliche BAG, die die Stelle mit einer angestellten Ärztin (FÄ für Orthopädie) besetzen wollte. Der zuständige Zulassungsausschuss sprach der BAG den Versorgungsauftrag zu und genehmigte die Anstellung.
Das hiergegen durchgeführte Widerspruchsverfahren des Klägers blieb ebenso erfolglos wie die hiernach angestrengte Klage vor dem Sozialgericht Berlin. Hiergegen wandte sich der Kläger jedoch erfolgreich mit der Berufung.
Entscheidung des Gerichts
Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hob das erstinstanzliche Urteil auf und verpflichtete den Zulassungsausschuss, über die Bewerbung neu zu entscheiden. In den amtlichen Leitsätzen führte das Gericht aus:
1. Auch bei der Nachbesetzung eines nach § 95 Abs. 9b SGB V umgewandelten Angestellten-Arztsitzes eines MVZ kommt es für die Beurteilung der grundsätzlichen Befähigung der Bewerber zur Fortführung der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 103 Abs. 4 Satz 4 SGB V auf das Praxisprofil des konkret abzugebenden Vertragsarztsitzes an.
2. Ein vormals von einem Facharzt für Chirurgie besetzter Vertragsarztsitz kann mangels chirurgischer Qualifikation nicht von einer Fachärztin für Orthopädie fortgeführt werden.
3. Die Zulassungsgremien sind im Nachbesetzungsverfahren nach § 103 Abs. 4 Satz 4 SGB V an die vorgeschaltete Entscheidung über die Durchführung der Nachbesetzung gemäß § 103 Abs. 3a SGB V und damit auch an die Entscheidung, dass ein fortführungsfähiges Praxissubstrat vorhanden ist, gebunden (amtl. Leitsätze).
Das Gericht geht hier also zunächst deutlich auf die Zweigliedrigkeit des Nachbesetzungsverfahrens ein und betont, dass der Zulassungsausschuss einem ersten Schritt zunächst zu prüfen hat, ob die Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes aus Versorgungsgesichtspunkten überhaupt erforderlich ist. Hierbei komme es neben dem Verwertungsinteresse des Praxisabgebers wesentlich darauf an, ob überhaupt eine fortführungsfähige Praxis besteht (sog. Praxissubstrat). Diese Grundsätze gelten -so das Gericht- auch bei der Umwandlung eines Angestellten-Sitzes in eine Zulassung nebst beantragter Nachbesetzung: denn bei § 95 Abs. 9b SGB V gehe es um eine größere statusbezogene Flexibilität im Rahmen der Fortführung der ärztlichen Versorgung und nicht um eine reine, vom konkreten Versorgungsgeschehen abgelöste Kommerzialisierung der vertragsärztlichen Zulassung.
Erst in einem nächsten Schritt erfolge dann die Auswahlentscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der gesetzlich verankerten Kriterien. Streitpunkt der vorliegenden Auseinandersetzung war das Kriterium der „beruflichen Eignung“. Hier standen die Tätigkeiten des Klägers (FA für Chirurgie und FA für Orthopädie und Unfallchirurgie) der Tätigkeit der anderen Ärztin (FA für Orthopädie) gegenüber. Zwar mögen die Arztgruppen der Chirurgen und Orthopäden bedarfsplanungsrechtlich zusammengefasst sein. Die Nachbesetzung erfordere aber die Befähigung des Bewerbers bzw. des anzustellenden Arztes, die bisherigen Patienten des abgebenden Vertragsarztes zu behandeln. Vorliegend war der fortzuführende Vertragsarztsitz bedarfsplanungsrechtlich zwar ein solcher in der Arztgruppe der Chirurgen und Orthopäden, besetzt war er aber – worauf in der Ausschreibung auch hingewiesen wurde – durch Fachärzte für Chirurgie. Die vertragsärztliche Versorgung der umgewandelten Angestelltenarztstelle umfasste mithin allein chirurgische Leistungen; Praxisausstattung und Patientenklientel waren hierauf bezogen.
Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung verdeutlicht, dass die Praxisausrichtung, für die Entscheidung über die Nachbesetzung von ausschlaggebender Bedeutung ist. Auch wenn die Fachgruppen Orthopädie und Unfallchirurgie im Sinne des Bedarfsplanungsrechts zusammengefasst sind, werden sich Zulassungsausschüsse vermehrt anschauen, welche tatsächliche Ausrichtung die nachzubesetzende Stelle innehat, um den Nachfolgegedanken der § 103 SGB V innewohnt, also die Versorgungskontinuität, aufrechtzuerhalten. Somit kommt es bei dem Merkmal der „beruflichen Eignung“ wesentlich auf die tatsächliche Ausrichtung der Tätigkeit und nicht auf die formale Eignung nach dem Bedarfsplanungsrecht an.
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