Mit Urteil vom 09.04.2025 hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Az. 17 U 181/23) in einem Berufungsverfahren über einen Schmerzensgeldanspruch gemäß §§ 1 Abs. 1 S. 1, 8 S. 2 Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) entschieden. Streitgegenstand war die haftungs-rechtliche Verantwortung der beklagten Herstellerin eines fehlerhaften Medizinprodukts (In-trauterinpessar – sog. Spirale), das bei der Klägerin infolge eines Materialversagens zu körperlichen Beeinträchtigungen geführt hatte.
Die Klägerin machte geltend, dass ihr im Jahr 2016 eine Spirale der Beklagten implantiert worden sei, die einer im Jahr 2018 durch den Hersteller veröffentlichten Warnmeldung unter-fiel. Hintergrund dieser Warnung war ein bei bestimmten Chargen dokumentiertes erhöhtes Bruchrisiko der Seitenarme der Spirale. Die Klägerin trug weiter vor, dass im Jahr 2021 ein Bruch beider Seitenarme festgestellt und eine operative Entfernung der verbliebenen Bruch-stücke unter Vollnarkose notwendig geworden sei. In der ersten Instanz wurde die Klage durch das Landgericht abgewiesen.
Im Berufungsverfahren sprach der 17. Zivilsenat des OLG Frankfurt der Klägerin dem Grunde nach einen Anspruch auf Schmerzensgeld zu, setzte dessen Höhe jedoch lediglich auf 1.000,00 EUR statt der geltend gemachten 7.000,00 EUR fest. Das Gericht ging nach Würdigung des IUP-Patientenpasses sowie der Zeugenaussage der behandelnden Gynäkologin davon aus, dass die Klägerin eine fehlerhafte Spirale aus einer von der Warnmeldung betroffenen Charge eingesetzt bekommen hatte, welche bis zur Entfernung in situ verblieb. Der Bruch der Seitenarme wurde als erwiesen angesehen, wobei es nach Auffassung des Senats dahinstehen konnte, ob dieser bereits vor der geplanten Entfernung oder erst während dieser entstanden sei. Ein Anscheinsbeweis für einen produktionsbedingten Materialfehler sei aufgrund der festgestellten Umstände zu bejahen.
Die körperliche Integrität der Klägerin sei durch das in der Gebärmutter verbliebene Fremd-material sowie durch den operativen Eingriff verletzt worden. Das OLG erkannte hierin eine haftungsbegründende Gesundheitsverletzung. Gleichwohl sei bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen, dass der Eingriff komplikationslos verlaufen sei und keine dauerhaften oder gravierenden Folgeschäden objektiv festgestellt werden konnten. Etwaige über das übliche Maß hinausgehende postoperative Beschwerden wurden erstmals in zweiter Instanz behauptet, ohne dass prozessual beachtliche Gründe für eine nachträgliche Zulassung dieses Vorbringens vorlagen.
Soweit die Klägerin unter Verweis auf vergleichbare Entscheidungen ein deutlich höheres Schmerzensgeld (mindestens 7.000 €) beanspruchte, vermochte das Gericht dem nicht zu folgen. Eine abweichende Bemessung in anderen Fällen sei regelmäßig auf zusätzliche, hier nicht gegebene Belastungen zurückzuführen (z. B. psychische Folgeschäden, erhebliche postoperative Komplikationen, stationäre Nachbehandlung etc.).
Das Urteil verdeutlicht, dass bei Produktfehlern im Bereich medizinischer Implantate eine Haftung des Herstellers auch bei fehlendem Nachweis konkreter Konstruktions- oder Produktionsmängel angenommen werden kann, sofern ein hinreichender Anscheinsbeweis für eine schadensursächliche Materialschwäche besteht. Jedoch unterliegt die Höhe des Schmerzensgeldes strengen Zumessungskriterien, insbesondere bei komplikationslosem Verlauf des operativen Eingriffs und dem Fehlen dauerhafter Gesundheitsfolgen.