Erneut hatte sich das Landgericht München I mit Fragen rund um das Angebot einer Online-Apotheke zu befassen. Gegenstand des Streits war jüngst die Werbung für eine sog. „Abnehmspritze“, die das Gericht in der konkreten Form untersagte.
Zum Fall
Eine in den Niederlanden ansässige Online-Versandapotheke warb auf ihrem Internetauftritt sowie mit deutlicher Marktplatzierung über die Suchmaschine „Google“ für die Behandlung von Adipositas durch eine Abnehmspritze. Konkret sollte den Endverbrauchern in Deutschland eine Fernbehandlung mit dem Ziel der Verschreibung von Arzneimitteln zur Behandlung von Adipositas angeboten werden. Vorgesehen war, dass der Nutzer auf der Plattform der Online-Apotheke nach Ausfüllen eines Fragebogens, der dann an einen Arzt übermittelt und von diesem geprüft wird, eine entsprechende Verordnung für das Präparat erhält. Das Angebot wurde auch zusätzlich in einem Newsletter beworben, wobei ein Rabatt von 30 Euro ausgelobt wurde.
Die Antragstellerin, eine Landesapothekerkammer, sah hierin nicht nur eine ärztliche Standardunterschreitung sondern auch einen Verstoß gegen heilmittelwerberechtliche Vorgaben. Das Landgericht München I hat daraufhin die Werbung in ihrer konkreten Ausgestaltung untersagt.
Die Entscheidung
Mit Endurteil des Landgerichts München I, 4. Kammer für Handelssachen, vom 03.03.2025 (4 HK O 15458/24) bestätigten die Münchner Richter die Auffassung der Apothekerkammer, dass die Fernbehandlung von Adipositas jedenfalls dann gegen den allgemein anerkannten fachlichen Standard verstoße, wenn -wie hier- lediglich ein ausgefüllter Fragebogen ausgewertet werde. Die Verschreibung einer Abnehmspritze erfordere hingegen einen persönlichen Kontakt zwischen Arzt und Patient, um die Anforderungen an Diagnose und Behandlung zu erfüllen. Die streitgegenständlichen Werbemaßnahmen verstießen somit gegen das Verbot der Werbung für Fernbehandlungen im Sinne von § 9 Heilmittelwerbegesetz (HWG). Hiernach ist eine Werbung für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen oder Tier beruht (Fernbehandlung) grundsätzlich unzulässig. Hierzu führt die Kammer aus:
„Die Fernbehandlung von Adipositas mittels Ausfüllens eines Fragebogens entspricht nämlich nicht allgemein anerkannten fachlichen Standards. Vielmehr ist vor der Verschreibung einer Abnehmspritze ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen erforderlich. Dies ergibt sich letztendlich bereits aus den „Warnhinweisen“, die die Antragsgegnerin gemäß den als Anlagen AG 05 vorgelegten Unterlagen dem Patienten online selbst erteilt. In diesem wird auf zahlreiche Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Magenschmerzen, Hypoglykämie (bei Patienten mit Typ-2-Diabetes) und Schwindel, auf das Risiko einer Unterfunktion und darauf hingewiesen, dass die Behandlung eingestellt werden sollte, wenn man innerhalb von drei Monaten nach Behandlungsbeginn nicht mindestens 5 % seines Körpergewichts verliert. Darüber hinaus wird ausgeführt, dass eine regelmäßige Nachsorge und Überwachung während einer Gewichtsreduktion unbedingt erforderlich ist. Gerade diese, von der Antragsgegnerin selbst für erforderlich gehaltene regelmäßige Nachsorge erfordert aber zwingend einen persönlichen ärztlichen Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen i. S. v. § 9 Satz 2 HWG.“
Ergänzend verweist das Gericht auf die „Patientenleitlinie zur Diagnose und Behandlung der Adipositas der deutschen Adipositasgesellschaft“, wonach zahlreiche Untersuchungen, u. a. des Bluts und des Urins, nötig seien, um Adipositas zu diagnostizieren und zu behandeln.
Darüber hinaus erkannte die Kammer in der konkreten Werbung auch einen Verstoß gegen das Werbeverbot für Arzneimittel im Sinne des § 10 HWG und bezog sich hierbei auf die Rechtsprechung des BGH, wonach ein solcher Verstoß auch dann gegeben ist, wenn das beworbene Präparat zwar nicht namentlich genannt ist, durch die Werbung jedoch der Absatz bestimmter Arzneimittel im Hinblick darauf gefördert wird, dass die angesprochenen Verkehrskreise aufgrund sonstiger Umstände wie z.B. der Angabe des Indikationsgebiets oder ihrer Kenntnisse der Marktverhältnisse der Anzeige entnehmen können, es solle für bestimmte einzelne oder mehrere Arzneimittel geworben werden (BGH MDR 1993, 228-229). Wegen der „starken medialen Aufmerksamkeit“ der Abnehmspritze sei dieses Kriterium gerade erfüllt.