Immer wieder haben Vertragsärzte mit teils erheblichen Honorarrückforderungen nach Plausibilitätsprüfungen zu kämpfen. Die eigentliche „Gefahr“ droht jedoch erst dann, wenn das Honorar (teilweise oder ganz) durch Honorarberichtigungs- und Neufestsetzungsbescheid zurückgefordert wird. Zwar ist der Bescheid als solcher mittels Erhebung des Widerspruchs anfechtbar. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Bescheid stets von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung entfaltet und die Rückforderung sofort fällig ist. Dass dieser Umstand empfindliche wirtschaftliche Probleme mit sich bringt, liegt auf der Hand und war jüngst Gegenstand einer Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg.
Zum Fall
Im hier zu entscheidenden Fall wurde gegen eine Vertragsärztin wegen fehlender Leistungsnachweise eine sachlich-rechnerische Richtigstellung durch die zuständige Kassenärztliche Vereinigung vorgenommen und eine Rückforderung vertragsärztlichen Honorars in Höhe von 68.531,98 Euro festgesetzt. Nach erfolgter Verrechnung mit noch ausstehenden Honoraren für das aktuelle Quartal wies das Honorarkonto der Antragstellerin einen Schuldensaldo in Höhe von knapp 60.000,00 Euro auf.
Gegen den Honorarneufestsetzungsbescheid, mit dem die Rückforderung festgesetzt wurde, erhob die Antragstellerin fristgerecht Widerspruch und beantragte zeitgleich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Widerherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Der Antrag hatte in der ersten Instanz vor dem Sozialgericht Potsdam keinen Erfolg. Auch die Beschwerde zum LSG Berlin-Brandenburg blieb ohne Erfolg.
Die Entscheidung
Grundsätzlich ist im Kontext von Honorarrückforderungen zu beachten, dass der Widerspruchgegen einen Honorarneufestsetzungsbescheid wegen § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m § 87b Abs. 2 S. 6 SGB V keine aufschiebende Wirkung entfaltet und die Rückforderung somit sofort vollziehbar ist. Nur ausnahmsweise kann auf Antrag -wie hier versucht- die aufschiebende Wirkung durch das Gericht im Wege des Eilrechtsschutzes angeordnet werden. Hierzu muss der Antragsteller, sprich der Vertragsarzt, geltend machen, dass sein Interesse an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiege. Hier muss er besondere Gründe dartun, da der Gesetzgeber eine grundsätzliche Wertung in Richtung des besonderen öffentlichen Interesses am Sofortvollzug getroffen hat.
Das Gericht hatte also hier eine Abwägungsentscheidung zu treffen, die zugunsten der rückfordernden Kassenärztlichen Vereinigung ausfiel (vgl. LSG Berlin-Brandenburg Beschl. v. 14.10.2024 – L 7 KA 28/24 B ER):
Zum einen begründete das LSG das überwiegende öffentliche Interesse damit, dass die Antragstellerin trotz mehrfacher Aufforderung im Prüfverfahren keine aussagekräftigen Unterlagen eingereicht und somit nicht aktiv an der Aufklärung der festgestellten Auffälligkeiten mitgewirkt habe.
Zum anderen aber sei in der Rückforderung keine unbillige (wirtschaftliche) Härte zu sehen. Die Antragstellerin erhielt auf ihr Honorar monatliche Abschlagszahlungen in Höhe von 13.300 Euro. Auch das Barvermögen der Antragstellerin auf ihrem Konto betrug nach ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 5. Mai 2024 30.246,04 Euro. Dass dieses Vermögen nicht mehr vorhanden sei, habe die Antragstellerin nicht vorgetragen, obwohl die Antragsgegnerin darauf hingewiesen habe, dieses Vermögen einsetzen zu können. Dass die Antragstellerin den Praxisbetrieb – wie sie vortragen hat – gerade aufgrund der Vollziehung der Forderung einstellen müsse (bzw. zum 30. September 2024 tatsächlich einstellen musste), sei daher -so die Entscheidung des LSG- nicht nachvollziehbar.
Folge für die Praxis:
Die Entscheidung weist in aller Deutlichkeit auf die Gefahren für Vertragsärzte im Rahmen von Plausibilitätsprüfungen und Honorarrückforderungen hin. Zum einen unterstreicht sie das unbedingte Bedürfnis, in solchen Verfahren eng mit der zuständigen Prüfstelle zusammenzuarbeiten und möglichst dezidiert zur Sachverhaltsaufklärung beizutragen.
Zum anderen -und das trifft die Vertragsärzte ganz persönlich- verdeutlicht die Entscheidung das hohe Regressrisiko beim Verstoß gegen den Grundsatz der peinlich genauen Abrechnung. Je nach Praxisstruktur haftet der einzelne Vertragsarzt nämlich mit seinem Privatvermögen für solche Verbindlichkeiten, sodass fehlende Einnahmen in der Praxis keinen Grund für eine unbillige Härte darstellen, sofern liquide Mittel im Privatvermögen vorhanden sind. Die wirtschaftlichen Folgen lassen sich jedoch auch häufig durch Stundungen und Ratenzahlungsvereinbarungen abmildern.
Wurde gegen Sie eine Honorarrückforderung geltend gemacht? Sprechen Sie uns gerne an, damit hier möglichst schnell und fristgerecht weitere Schritte eingeleitet werden können.