… nach dem Rote-Hand-Brief des BfArM. Das BfArM hatte am 16.03.2020 informiert, dass zahlreiche, neue Berichte über schwere Nebenwirkungen bei der Anwendung von Cytotec® außerhalb der zugelassenen Indikation vorlägen. Das Arzneimittel Cytotec® sei nicht zur Geburtseinleitung zugelassen. Cytotec®-Tabletten seien nicht für eine Teilung konzipiert, so dass bei Teilung eine korrekte Dosierung nicht gewährleistet werden könne. Cytotec® sei lediglich zur oralen Einnahme vorgesehen.
Dieser Rote-Hand-Brief des BfArM wird nun vermehrt von Patientenanwälten herangezogen, um die off-label-use-Anwendung in der geburtshilflichen Praxis der Vergangenheit zu beanstanden. Es wird von einem „wunderbaren Beweismittel“ gesprochen, denn er zeige angeblich klar die Risiken von Cytotec auf sowie die zugelassenen Alternativen dazu. Diese Einschätzung ist indessen unzutreffend. Tatsächlich ergeben sich aus diesem Rote-Hand-Brief keine negativen beweisrechtlichen Konsequenzen für die behandelnden Ärzte, da diese denklogisch erst für künftige Fälle, also erst ab einem off-label-usre ab dem 16.03.2020 und nicht für die Vergangenheit eintreten können. Darüber hinaus lässt sich in den meisten Fällen aufgrund der vergleichsweise kurzen Wirkdauer kein kausaler Schaden herstellen. Auch in einem diesseits geführtem Verfahren kam der Sachverständige diesbezüglich zu dem Ergebnis, dass aufgrund der Wirkungsdauer des Präparats Cytotec ein kausaler Zusammenhang zwischen Applikation und der schicksalhaft eingetretenen Uterusruptur nicht bestehen könne . Bei der oralen Gabe des Präparats Cytotec sei die pharmakologische Wirkung nach spätestens 150 Minuten beendet. Zudem käme es auch bei mehrfacher Applikation es nicht zu einer Kumulation des Wirkstoffs.
Darüber hinaus besteht keine generelle Kontraindikation beim Einsatz eines Prostaglandinpräparats, vielmehr hat die bisherige Rechtsprechung ausdrücklich bestätigt, dass sie in niedrigen Dosen appliziert werden dürfen. Auch die Behauptung, dass sich die anwendenden Ärzte lediglich auf „Erfahrungswerte und Anwendungsbeobachtungen stützen“, ist falsch; es gibt keinen Wirkstoff zur Geburtseinleitung, der ähnlich gut in Studien untersucht wurde! Mittlerweile gibt es mehr als 80 randomisiert-kontrollierte Studien zur Verwendung von oralem Misoprostol zur Geburtseinleitung und dutzende randomisiert-kontrollierte Studien zur vaginalen Applikation. Die Evidenz ist unstrittig: Der Wirkstoff Misoprostol ist das effektivste Medikament zur Geburtseinleitung und führt vor allem bei der oralen Anwendung zu weniger Kaiserschnitten als mit anderen Medikamenten (Dinoproston, Oxytocin), so die DGGG.
Ein „Off-Label-Use“ ist nicht von vornherein als fehlerhaft einzustufen. Haben Sie Fragen hierzu? Rufen Sie uns an.