Oftmals treten Schäden nach einer ärztlichen Behandlung erst dann auf, wenn der Versicherungsvertrag des behandelnden Arztes bzw. des Klinikums bereits beendet wurde. Es stellt sich in diesen Fällen die Frage, was das die Eintrittspflicht begründende Schadensereignis darstellt. Das LG Duisburg hatte sich in dem Urteil vom 11.02.2025 (Az. 6 O 227/24) mit dieser Frage zu beschäftigen.
Die Parteien waren durch einen Haftpflichtversicherungsvertrag mit der Versicherungsschein-Nr. 01 verbunden, welcher den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB 2008) sowie den „Besonderen Bedingungen und Erläuterungen zum Rahmenabkommen für die Haftpflichtversicherung von Krankenhäusern, die Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen mit der L. GmbH in Q.“ unterlag. Das Versicherungsverhältnis endete am 01.01.2019 um 12:00 Uhr.
Ziffer 1.1 AHB 2008 lautet wie folgt:
„1.1 Versicherungsschutz besteht im Rahmen des versicherten Risikos für den Fall, dass der Versicherungsnehmer wegen eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Schadenereignisses (Versicherungsfall), das einen Personen-, Sach- oder sich daraus ergebenden Vermögensschaden zur Folge hatte, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadenersatz in Anspruch genommen wird.
Schadenereignis ist das Ereignis, als dessen Folge die Schädigung des Dritten unmittelbar entstanden ist. Auf den Zeitpunkt der Schadenverursachung, die zum Schadenereignis geführt hat, kommt es nicht an.“
Die Klägerin verlangte Deckung für Schäden, die aus einer von den behandelnden Ärzten im Krankenhaus der Klägerin im Rahmen einer im Dezember 2018 durchgeführten Kaiserschnittgeburt geplanten, aber nicht durchgeführten Sterilisation der Patientin S. I., resultieren. Die Patientin wurde auch im Nachgang nicht darüber informiert, dass die Sterilisation nicht durchgeführt worden war. Im Jahr 2019 wurde die Patientin dann ungeplant schwanger und gebar im Jahr 2020 ihre Tochter. Das Kind leidet an Trisomie 21, einer Leukämieerkrankung sowie unter mehreren Herzfehlern mit entsprechender Herzinsuffizienz. Es wurde der Pflegegrad 3 festgestellt.
Die Beklagte zahlte an die Geschädigte außergerichtlich insgesamt 82.038,24 EUR. Die Zahlungen erfolgten zum Teil ausdrücklich „ohne Anerkennung einer Rechts- bzw. Eintrittspflicht“ und im Übrigen mit dem Hinweis „frei verrechenbar“. Die Beklagte lehnte gegenüber der Klägerin die Deckung ab.
Die Klägerin war der Ansicht, der Versicherungsfall sei in der unterlassenen Sterilisation zu sehen. Auf die erst nach Versicherungsende eingetretene Empfängnis bzw. Geburt des Kindes komme es nicht an.
Die zulässige Klage wurde abgewiesen. Das LG kam zu dem Ergebnis, dass das Schadensereignis in dem zur Empfängnis führenden Geschlechtsverkehr zu sehen sei und damit nach Beendigung des Versicherungsvertrages eingetreten war. Begründet wurde dies wie folgt:
Die Körperverletzung und damit der Personenschaden sei erst durch die ungewollte Schwangerschaft eingetreten. Auch wenn es sich bei einer Schwangerschaft um einen normalen physiologischen Vorgang handelt, stelle doch jeglicher unbefugte Eingriff in das körperliche Befinden eine Körperverletzung dar, da bei anderer Sichtweise das Recht am eigenen Körper als gesetzlich ausgeformter Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht hinreichend geschützt wäre.
Unmittelbar zu dieser Schwangerschaft geführt habe die Empfängnis, also der physiologische Vorgang der Verschmelzung der Eizelle mit einem Spermium. Lehnt man die Empfängnis als Schadensereignis ab, da es ein nur verborgener, innerer Vorgang ist, der nach allgemeinem Sprachgebrauch nicht zwingend ein Ereignis darstellt im Sinne eines sinnfälligen objektiven Vorgang, der sich vom gewöhnlichen Tagesgeschehen deutlich abhebt und dessen schwerwiegende Bedeutung sofort ins Auge springt, dann sei jedenfalls der vorgelagerte Geschlechtsverkehr ein solcher objektiver Vorgang, der den Personenschaden in Gestalt der ungewollten Schwangerschaft ausgelöst hat. Das Schadensereignis sei damit in jedem Fall außerhalb der versicherten Zeit eingetreten.
Vor diesem Hintergrund war der Deckungsanspruch der Klägerin abzulehnen und die Klage entsprechend abzuweisen.
Die Entscheidung zeigt, dass, auch wenn die Pflichtverletzung, vorliegend die unterlassene Sterilisation im Rahmen der Kaiserschnittentbindung, noch in die Zeit des bestehenden Versicherungsvertrages fällt, ein Deckungsanspruch abzulehnen sein kann, wenn das Schadensereignis erst nach Beendigung des Vertrages eintritt. Das LG Duisburg betont in diesem Zusammenhang, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung und aufmerksamer Durchsicht erkennen könne, dass der Wortlaut der Ziffer 1.1 AHB 2008 deutlich zwischen der kausalen Pflichtverletzung und dem Schadensereignis differenziere und dass die Schadensverursachung dem Schadensereignis vorgelagert sei, aber diesem nicht entspreche, sodass es auf den Zeitpunkt der Schadensverursachung gerade nicht ankomme.