In einer aktuellen Entscheidung befasste sich das Bayerische Verwaltungsgericht München mit der Anrechnung von Weiterbildungszeiten in der Facharztausbildung (vgl. VG München, U. v. 06.06.2024 – Az. M 27 K 23.261). Zu Unrecht fristet dieses Thema in der medizinrechtlichen Beratungspraxis eher ein Schattendasein, obwohl eine korrekte Anwendung der Regelungen der Weiterbildungsordnungen für die Weiterbildungsbefugten und die Facharztanwärter von erheblicher Bedeutung sind.
Zum Fall
Im gerichtlich zu entscheidenden Fall wurden einer Assistenzärztin die Ausbildungszeiten der stationären Weiterbildung zur Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin nicht anerkannt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Abteilung, in der die Assistenzärztin im Krankenhaus zum Zwecke der Weiterbildung tätig war, als Belegabteilung geführt wurde und eine ganztägige stationäre Weiterbildung nicht erfolgt sei. Hiergegen wandte sich die Assistenzärztin erfolgreich mit einer Klage.
Urteil und Auswirkungen
Das Verwaltungsgericht stellt im Rahmen seines Urteils zunächst fest, dass es unschädlich sei, dass der zur Weiterbildung befugte Arzt in einer Belegabteilung tätig war, da auch Belegabteilungen wegen § 1 Abs. 2b der damals geltenden Weiterbildungsordnung dem stationären Bereich zugeordnet seien. Die Weiterbildungsordnung 2004 enthielt darüber hinaus das gesetzliche Erfordernis der ganztägigen Weiterbildung unter der persönlichen Leitung des Weiterbildenden. Darüber, wie die persönliche Leitung konkret zu erfolgen hat, werde keine Aussage getroffen. Insbesondere sei das Adjektiv „ganztägig“ nicht auf die Leitung durch den Weiterbilder, sondern auf die Weiterbildung der Assistenten, mithin deren Anwesenheitszeiten zu beziehen, so die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Mit anderen Worten: nach der „alten“ Weiterbildungsordnung hätte der Weiterbilder nicht ganztägig vor Ort präsent sein müssen, um das Erfordernis der ganztägigen Ausbildung zu gewährleisten. Klargestellt wird jedoch, dass die gegenwärtig gültige Regelung in § 5 Abs. 3 Satz 1 WBO 2024 ein solches Erfordernis der ganztägigen Durchführung sehr wohl enthalte.
Praxishinweis
Der Fall zeigt, dass eine stets genaue Prüfung erforderlich ist, nach welcher Weiterbildungsordnung (WBO 2004 oder WBO 2021) oder ggf. bestehender Übergangsbestimmungen die Weiterbildung erfolgen muss. Weiterbildungsbefugte müssen folglich sicherstellen, dass sie über die notwendigen Befugnisse verfügen und die organisatorischen wie inhaltlichen Anforderungen der jeweils geltenden Weiterbildungsordnung erfüllen.
Denn mit Urteil vom 26.10.2023 (Az. M 27 K21.62223) hat das Bayerische Verwaltungsgericht München in einer anderen Rechtssache ausdrücklich festgestellt, dass es nach der aktuell geltenden Fassung der WBO für eine ordnungsgemäße Weiterbildung erforderlich sei, dass eine zur hinreichenden Gewährleistung des Patientenschutzes genügende Ausbildung in verantwortlicher Leitung erfolgen müsse. Um diese Art der Anleitung zu erfüllen, müsse der Weiterbilder die Tätigkeit des Weiterbildungsassistenten rechtlich und tatsächlich anleiten sowie zeitlich und inhaltlich gestalten. Das Erfordernis der Vollzeitausbildung im Sinne der Berufsanerkennungsrichtlinie bedeute nicht nur Vollzeitarbeit des Assistenzarztes, sondern fordere im Umkehrschluss grundsätzlich eine Vollzeitbetreuung durch den Weiterbilder (Leitsatz).
Werden diese strengen Voraussetzungen nicht eingehalten, besteht die Gefahr, dass die absolvierten Assistenzzeiten nicht anerkannt werden und sich die Ausbildung der betroffenen Assistenzärzte verlängert, da eine Zulassung zur Facharztprüfung verwehrt werden kann. Sprechen Sie uns bei Fragen zur ärztlichen Weiterbildung gerne an!