Die Tätigkeit eines Durchgangsarztes stellt die Praxis immer wieder vor haftungsrechtliche Probleme. Dies insbesondere, weil der Durchgangsarzt oft bei einem Krankenhausträger angestellt ist und somit einerseits in seiner (hoheitlich begründeten) Funktion als Durchgangsarzt handelt, im Rahmen derer er zur Abklärung einer besonderen berufsärztlichen Behandlungsnotwendigkeit auftritt. Andererseits wird er dort als angestellter Arzt „für den Krankenhausträger“ tätig. Da die Grenzen hier oftmals nicht klar gezogen werden können, entstehen haftungsrechtliche Unsicherheiten bis hin zur Frage der Passivlegitimation im Haftungsprozess. Unter Bezugnahme auf das bereits besprochene Urteil des BGH vom 30.07.2024 (Az. VI ZR 115/22) hatte nun das Landgericht Flensburg über einen solchen Fall zu entscheiden.
Zum Fall
Der Entscheidung lag eine Schadensersatzforderung gegen einen Krankenhausträger wegen einer vermeintlich fehlerhaften ärztlichen Behandlung der Ärzte des Krankenhausträgers zugrunde. Der Kläger war Baggerführer und erlitt im Rahmen der Betankung eines Baggers einen schweren Arbeitsunfall, bei dem er auf die linke Schulter stürzte. Er wurde sodann in die beklagte Klinik eingewiesen, wo eine durchgangsärztliche Erstversorgung erfolgte. Eine Radiographie des linken Schultergelenks zeigte eine große, in sich frakturierte, schalenförmige Absprengung des Tuberculum majus. Nach erfolgter CT wurde der Abriss des Tuberculum majus diagnostiziert. Der vor Ort tätige Durchgangsarzt ordnete wegen mangelnder OP-Kapazität im Klinikum zunächst die besondere ambulante Heilbehandlung mit Ruhigstellung und Wiedervorstellung am 29.06.2015 an. Bei der Wiedervorstellung wurde die präoperative Anamnese, Aufklärung über die geplante Operation und Aufnahme in die stationäre Versorgung durchgeführt. Am selben Tag ordnete der im Klinikum tätige Durchgangsarzt die besondere stationäre Heilbehandlung an. Am 30.06.2015 erfolgte sodann die operative Versorgung des Klägers durch Ärzte der Beklagten mittels offener Reposition und Osteosynthese unter Einsatz einer winkelstabilen Platte. Der weitere Verlauf war komplikationsbehaftet, sodass der Kläger gegenüber dem beklagten Krankenhausträger Schadensersatzansprüche geltend machte.
Die Entscheidung
Die dritte Zivilkammer des Landgerichts Flensburg wie die Klage in seiner Entscheidung vom 22.11.2024 (Az. 3 O 324/16) vollumfänglich ab und begründete dies im Wesentlichen wie folgt:
- Ordnet der Durchgangsarzt nach der als (öffentlich-rechtliche Amtsausübung ein-zuordnenden) Erstversorgung des Unfallverletzten die besondere ambulante Heilbehandlung an und übernimmt diese, haftet er für Behandlungsfehler bei dieser besonderen ambulanten Heilbehandlung persönlich. Dies gilt auch, wenn der Durchgangsarzt zugleich bei einem Krankenhausträger angestellt ist. Eine Haftung des Krankenhausträgers kommt insoweit nicht in Betracht, weil der zum Durchgangsarzt bestellte Arzt eines Krankenhauses die ambulante Behandlung eines Unfallverletzten im Durchgangsarztverfahren nicht aufgrund des mit dem Krankenhausträger bestehenden Anstellungsverhältnisses, sondern unabhängig hiervon aufgrund der Bestellung durch die Berufsgenossenschaften als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ausführt.
- Leitet der Durchgangsarzt hingegen eine stationäre besondere Heilbehandlung im stationären Durchgangsarztverfahren, Verletzungsartenverfahren oder im Schwerstverletzungsartenverfahren ein, kommt für die stationäre besondere Heilbehandlung ein totaler Krankenhausvertrag zwischen dem Krankenhausträger und dem Unfallverletzten zustande.
Streitentscheidend war somit auch hier die Frage, welche Form der Versorgung durch den Durchgangsarzt im Durchgangsarztbericht für den Unfallversicherungsträger angeordnet wird. Hier muss unterschieden werden zwischen der ambulanten und der stationären Versorgung:
Im Bereich der ambulanten Heilbehandlung kann unterschieden werden zwischen der „besonderen“ und der „allgemeinen“ Heilbehandlung. Die besondere Heilbehandlung erfasst die fachärztliche Behandlung einer Unfallverletzung, die wegen der Art und der Schwere besondere unfallmedizinische Qualifikation verlangt. Etwas anderes gilt bei der allgemeinen Heilbehandlung, da diese keinen besonderen personellen oder apparativ-technischen Aufwand bedarf oder eine besondere unfallmedizinische Qualifikation des Arztes voraussetzt (so auch BGH vom 20.12.2016, VI ZR 395/15).
Ordnet der D-Arzt die besondere ambulante Heilbehandlung an und übernimmt diese, übt er -so die Begründung der Flensburger Richter- kein öffentliches Amt aus und haftet für Fehler persönlich, es entsteht ein zivilrechtliches Behandlungsverhältnis zu ihm. In einem solchen Fall haftet der Krankenhausträger nicht für etwaige Behandlungsfehler des (auch bei ihm) angestellten D-Arztes: In der Rechtsprechung und Literatur wird in solchen Fällen eine Haftung des Krankenhausträgers verneint, weil der zum Durchgangsarzt bestellte Arzt eines Krankenhauses eine ambulante Behandlung eines Unfallverletzten im Durchgangsarztverfahren nicht aufgrund des mit dem Krankenhausträger bestehenden Anstellungsverhältnisses, sondern unabhängig hiervon aufgrund der Bestellung durch die Berufsgenossenschaften als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ausführe. Er trete dem Verletzten im Rahmen der ärztlichen Behandlung nicht als Vertreter des Krankenhausträgers gegenüber und begründe daher auch keine Vertragsbeziehungen zwischen dem Krankenhausträger und dem Verletzten.
Im Bereich der stationären besonderen Heilbehandlung ist jedoch -wie das Landgericht ausführlich darlegt- eine Behandlung und damit Haftung durch den Durchgangsarzt nicht gegeben. Vielmehr kommt hier ein sog. „totaler Krankenhausaufnahmevertrag“ zustande. Hierzu führt das Landgericht in seiner Begründung aus:
Schließlich sprechen die Regelungen der §§ 27, 37 des „Vertrags gem. § 34 Abs. 3 SGB VII über die Durchführung der Heilbehandlung, die Vergütung der Ärzte sowie die Art und Weise der Abrechnung der ärztlichen Leistungen“ zwischen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. (DGUV), der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau als landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft (SVLFG) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung K.d.ö.R. (KBV) dafür, dass nur im Fall ambulanter durchgangsärztlicher Behandlung der Behandlungsvertrag mit dem Durchgangsarzt selbst begründet wird. (…) Eine Regelung für die stationäre Behandlung durch den D-Arzt selbst sieht der Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger, anders als für die ambulante Behandlung, demgegenüber nicht vor.
Praxishinweis
Für (Durchgangs-)Ärzte und Krankenhausträger ist ein geschärftes Bewusstsein über die Rolle und Stellung des Durchgangsarztes von erheblicher Bedeutung. Hier geht es um die Frage, mit wem der Patient konkret Verträge schließt und wer folglich auch die Haftung für die Behandlung trägt. Daher ist es entscheidend, welche Art der Heilbehandlung der Durchgangsarzt auf dem Durchgangsarztbericht ankreuzt. Bei Fragen hierzu sprechen Sie uns gerne an.