Das OLG Stuttgart hat mit Urteil vom 25.06.2024 (Az. 1 U 34/23) entschieden, dass der Klägerin, welche im Rahmen ihrer Ausbildung zur Kranken- und Altenpflegerin in einer Pflegeeinrichtung mit dem Impfstoff des Unternehmens BioNTech/Pfizer (Comirnaty) gegen COVID-19 geimpft wurde, keine Schadensersatzansprüche gegen die Impfärztin zustehen.

Die Klägerin hatte die Impfärztin auf Schadensersatz in Anspruch genommen, nachdem ihr im Januar und Februar 2021 zwei Impfungen verabreicht worden waren. Die Impfungen erfolgten im Rahmen einer Impfaktion und wurden von einem mobilen Impfteam durchgeführt, welches an ein Impfzentrum angegliedert war.

Zu einem mündlichen Aufklärungsgespräch mit der Impfärztin kam es nicht. Der Klägerin wurden vor den Impfungen jedoch jeweils in vom Deutschen Grünen Kreuz in Kooperation mit dem Robert-Koch-Institut (RKI) erstelltes „Aufklärungsmerkblatt zur Schutzimpfung gegen COVID-19 […] – mit mRNA-Impfstoff“ mit dazugehörigem Anamnesebogen ausgehändigt, welche von der Klägerin vor der jeweiligen Impfung gelesen, ausgefüllt und zur Impfung mitgebracht wurden. Zu der von ihrem Arbeitgeber angebotenen Aufklärungsveranstaltung erschien die Klägerin nicht.

Unmittelbar im Anschluss an die zweite Impfung wurde bei der Klägerin eine geringgradige halbseitige Lähmung links mit geringer Gangunsicherheit diagnostiziert sowie der Verdacht auf eine Impfreaktion geäußert. Im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens behauptete die Klägerin, durch die Impfärztin (die Beklagte) nicht ausreichend über die Risiken der Impfung aufgeklärt worden zu sein. Bei einer umfassenden Aufklärung hätte sie sich nicht impfen lassen, weshalb die Ärztin ihr den aus der Impfung entstandenen Schaden zu ersetzen und außerdem Schmerzensgeld zu leisten habe.

Das Landgericht Heilbronn hatte die Klage in erster Instanz abgewiesen und ausgeführt, dass die Aushändigung eines Aufklärungsmerkblattes dann ausreichend sei, wenn dem Kläger vor der Impfung zumindest die Möglichkeit gegeben werde, dem Impfarzt vor der Impfung weitere Fragen zu stellen. Ein ausführliches Aufklärungsgespräch mit dem impfenden Arzt sei nicht erforderlich. Laut Ausführungen des LG Heilbronn seien auf die Corona-Schutzimpfung die vom BGH für Routineimpfungen entwickelten Grundsätze entsprechend anzuwenden.

Das OLG Stuttgart hat die erstinstanzliche Entscheidung nun bestätigt und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Jedoch kam es für das OLG Stuttgart auf die Frage, ob die Klägerin ausreichend aufgeklärt worden war, bereits nicht an. Der Senat des OLG Stuttgart begründete seine Entscheidung vielmehr mit der fehlenden Passivlegitimation der Beklagten.

Nachdem das Verimpfen von Corona-Impfstoffen im Rahmen der nationalen Impfstrategie durch hierzu beauftragte Ärzte erfolgte, sei diese Aufgabe als hoheitliche Tätigkeit zu qualifizieren, so das OLG in seinem Urteil:

Sowohl die Bundes- als auch die Landesregierung hatten die Bevölkerung im Rahmen einer breit angelegten Impfkampagne der STIKO-Empfehlung des RKI aufgefordert, sich zum eigenen Schutz sowie zum Schutz der Allgemeinheit gegen Corona impfen zu lassen. Darüber hinaus wurde mit § 20i Abs. 3 Satz 2 Nr. 1a) SGB V in der ab dem 19.11.2020 gültigen Fassung und der Coronavirus-Impfverordnung (CoronaImpfV) vom 18.12.2020 außerdem ein Rechtsanspruch auf die Corona-Schutzimpfung geschaffen. Zur Erfüllung dieses gesetzlichen Anspruchs und zur flächendeckenden Pandemiebekämpfung durch die staatlich geförderte Impfkampagne wurden zunächst „von den Ländern oder im Auftrag der Länder“ Impfzentren eingerichtet und mobile Impfteams gebildet (§ 6 Abs. 1 CoronaImpfV in der Ursprungsfassung), die in Einrichtungen wie etwa Pflegeheimen Corona-Schutzimpfungen vornahmen. Hierfür wurden insbesondere niedergelassene und pensionierte Ärzte herangezogen. Später konnten auch „beauftragte Arztpraxen“ (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3. c) CoronaImpfV vom 31.03.2021) den Rechtsanspruch nach § 1 CoronaImpfV erfüllen. Die Beauftragung erfolgte durch die Zurverfügungstellung des durch den Bund auf staatliche Kosten beschafften Impfstoffs.

Nachdem die beklagte Ärztin in Ausübung eines ihr anvertrauten öffentlichen Amtes gem. Art. 34 S. 1 GG hoheitlich tätig wurde, kam eine persönliche Haftung der Beklagten nicht in Betracht. Die Klägerin hätte vielmehr den Staat wegen etwaiger Schadensersatzansprüche in Anspruch nehmen müssen.

Zwar wurde die Revision nicht zugelassen, eine Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH ist jedoch möglich. Das Urteil ist daher noch nicht rechtskräftig.