Das Oberlandesgericht Dresden hatte sich in einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 15.10.2024 – 4 U 100/24) mit einigen immer wieder auftretenden Problemen des Arzthaftungsrechts zu beschäftigen. So ging es insbesondere um Fragen der Aufklärung, um die Frage, wann sich ein Krankenhausträger das Verhalten eines Konsiliararztes zurechnen lassen muss sowie um das immer wieder heikle Thema, wann und wie sich ein Arzt erfolgreich auf die hypothetische Einwilligung des Patienten berufen kann.

Zum Fall

Gegenstand des Rechtsstreits war eine Schmerzensgeldforderung insbesondere aufgrund des Vorwurfs unzureichender Aufklärung. Der 1978 geborene Kläger litt unter anderem unter arterieller Hypertonie, chronischem Nikotinabusus sowie Adipositas. Im November 2020 wurde auf Veranlassung des Hausarztes eine Lungenperfusionsszintigraphie durchgeführt und eine Lungenembolie gesichert. Weiterhin wurde ein kontrastmittelgestütztes CT in einer radiologischen Praxis durchgeführt, die diese Leistungen für die beklagte Klinik auf deren Veranlassung hin regelmäßig durchführte. Die Untersuchungen ergaben eine erhöhte Ausscheidung von Eiweiß (Proteinurie). Der Kläger wurde sodann wegen anhaltender bronchitischer Symptome von seinem Hausarzt wegen Verdachts auf Lungenembolie im Januar 2020 zur stationären Behandlung in die Klinik der Beklagten eingewiesen. Nach dort erfolgter Untersuchung in der Notaufnahme verwies man den Kläger zur Durchführung eines Kontrastmittel-CT erneut in die radiologische Praxis. Ein Aufklärungsgespräch wurde im Hause der Beklagten nicht durchgeführt. Der Kläger und die Ärztin und Gesellschafterin der radiologischen Kooperationspraxis unterzeichneten einen Aufklärungsbogen. Die Untersuchung ergab eine rechtsseitige Lungenarterienembolie. Der Kläger erlitt im Anschluss ein beidseitiges akutes Nierenversagen. Der Kläger beanstandete daraufhin, dass die Beklagte das CT mit Kontrastmittel ohne jegliches Aufklärungsgespräch veranlasst habe. Es sei weder auf die Risiken einer Kontrastmittelgabe bei einer Nierenerkrankung noch über Behandlungsalternativen, wie z.B. eine Lungenperfusionsszintigraphie oder ein MRT mit dem Kontrastmittel Gadolinium aufgeklärt worden. Die Applikation des Kontrastmittels bei bekanntem Verdacht eines nephrotischen Syndromes stelle einen groben Verstoß gegen den Facharztstandard dar. Die Beklagte hätte dies nicht veranlassen dürfen. Wegen der Gabe des Kontrastmittels sei es zu einem beidseitigen vermeidbaren Nierenversagen gekommen (Urteil, Rz. 2f.).

Die Entscheidung

Der Senat befasste sich in seiner Entscheidung sehr ausführlich mit der Problematik der Aufklärung und stützte sich ausdrücklich auf obergerichtliche sowie höchstrichterliche Entscheidungen. Hierbei arbeitete der Senat auch trennscharf die Besonderheiten hinsichtlich der Person des Aufklärenden (Stichwort: Arbeitsteilung) und dem Inhalt der Aufklärung heraus.

Zunächst stellt der Senat klar, dass auch im Rahmen von arbeitsteiligem Handeln stets jeder behandelnde Arzt verpflichtet ist, den Patienten hinsichtlich der von ihm übernommenen Behandlungsaufgabe aufzuklären. Sind mehrere Ärzte an der Behandlung beteiligt, so ist grundsätzlich zunächst jeder für diejenigen Eingriffe und Behandlungsmaßnahmen aufklärungspflichtig, die er selbst durchführt und nur soweit sein Fachgebiet betroffen ist.

Im konkreten Fall führte die Hinzuziehung eines Konsiliararztes sogar zur Haftungszurechnung zu Lasten des Krankenhauses. Der Senat stellte klar, dass ein Krankenhausträger einem Patienten für Arztfehler eines Konsiliararztes als seines Erfüllungsgehilfen aus Vertrag (§ 278 BGB) jedenfalls dann haftet, wenn der Konsiliararzt hinzugezogen wird, weil es dem Krankenhaus an eigenem fachkundigen ärztlichen Personal mangelt, der Krankenhausträger mit den Leistungen des Konsiliararztes seine vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Patienten erfüllt und die Honorierung des Konsiliararztes durch den Krankenhausträger erfolgt.

Zum Inhalt der Aufklärung führt das OLG Dresden aus, dass die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten die Unterrichtung über Alternativen erfordert (sog. Aufklärung über Behandlungsalternativen). Diese Pflicht besteht allerdings nur, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen aufweisen; besteht danach eine echte Wahlmöglichkeit für den Patienten, dann muss diesem nach entsprechend vollständiger ärztlicher Aufklärung die Entscheidung überlassen bleiben, auf welchem Wege die Behandlung erfolgen soll und auf welches Risiko er sich einlassen will. Das Erfordernis „wesentlicher“ Unterschiede bestehe -so der Senat- aber nur dann, wenn es sich um einen Unterschied von Gewicht handele und nicht nur um eine geringfügig niedrigere Komplikationsrate.

Im konkreten Fall ging das OLG Dresden zudem auf den ärztlichen Einwand der „hypothetischen Einwilligung“ des Patienten ein und prüfte diesen sehr ausführlich. Demnach kann sich der Arzt darauf berufen, dass der Patient, wäre er ordnungsgemäß aufgeklärt worden, ohnehin in die durchgeführte Maßnahme eingewilligt hätte. Für diese Fälle psychisch vermittelter Kausalität trifft den Patienten dann eine sog. „sekundäre Darlegungs- und Beweislast“. Er muss folglich den ärztlichen Einwand dadurch entkräften, dass er nachvollziehbar geltend macht, er hätte sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung in einem echten Entscheidungskonflikt befunden. Hierzu muss er vernünftige Erwägungen darlegen, was ihm im hier entschiedenen Falle nicht zur Überzeugung des Gerichts gelang.

Praxishinweis

Die Entscheidung zeigt umso mehr, dass im Falle arbeitsteiligen Handelns immer besondere Vorsicht geboten ist, denn zuständig für die Aufklärung ist grundsätzlich der jeweils Behandelnde für sein Fachgebiet. Auch bei der Delegation an Assistenzärzte muss sich der (Haupt-)Behandler stets von der ordnungsgemäßen Aufklärung (z.B. durch Kontrolle der Patientenakte, einem kurzen Gespräch mit dem Patienten und/oder dem Assistenzarzt) überzeugen. Bei konsiliarischer Tätigkeit kann es -je nach vertraglicher Vereinbarung zwischen den Parteien- zur oft unerwarteten Haftungszurechnung kommen, was diese Entscheidung lehrbuchartig zeigt.

Für die ordnungsgemäße Aufklärung trägt im Haftungsprozess der Behandelnde die Darlegungs- und Beweislast. Kann ihm dieser Beweis nicht gelingen, führt dies jedoch nicht automatisch zu einer Haftung, was das OLG Dresden nochmals eindringlich klarstellte. Denn auch bei einer unzureichenden medizinischen Risikoaufklärung scheidet ein Schadensersatzanspruch aus, wenn nicht feststeht, dass der eingetretene Schaden durch den wegen der unwirksamen Einwilligung rechtswidrigen Eingriff verursacht worden ist. Hierfür ist wiederum der Patient voll darlegungs- und beweisbelastet.