Das OLG Köln hat sich mit Urteil vom 27.01.2025 (Az. 5 U 69/24) mit der Frage der Reichweite der Pflicht von Oberärzten und Assistenzärzten, Anweisungen vorgesetzter Ärzte zu widersprechen, auseinandergesetzt. Dabei kam das OLG zu folgendem Ergebnis:

Verstößt ein von einem vorgesetzten Arzt angeordnetes Vorgehen, welches in der konkreten Behandlungssituation von der bisherigen Praxis des Krankenhauses abweicht, gegen medizinisches Basiswissen und begründet es erkennbar erhöhte Risiken, aber keine Vorteile für den Patienten, so treffen sowohl einen Oberarzt als auch einen Assistenzarzt eine Remonstrationspflicht, bei deren Verletzung sie persönlich haften.

Der zu einer persönlichen Entlastung geeignete Gesichtspunkt eines Handelns auf Anordnung eines vorgesetzten Arztes im Rahmen vertikaler Arbeitsteilung ist für die Frage, ob ein festgestellter Behandlungsfehler als grob zu qualifizieren ist und zu einer Beweislastumkehr führt, nicht von Bedeutung. Insoweit ist – anders als bei der Feststellung des Behandlungsfehlers als solchem – allein eine objektive Betrachtungsweise maßgeblich.

Begründet wurde dies vom Senat wie folgt:

Ein Assistenzarzt dürfe auf die vom Facharzt angeordneten Maßnahmen vertrauen, sofern nicht für ihn erkennbare Umstände hervortreten, die ein solches Vertrauen nicht gerechtfertigt erscheinen lassen. Der nachgeordnete ärztliche Dienst sei in eine hierarchische Struktur eingebunden, die ihn auch haftungsrechtlich schütze und die, soweit er sich im Rahmen dieser Unterordnung bewegt, die deliktische Verantwortung einschränken könne.

Bei der sog. vertikalen Arbeitsteilung ist der nachgeordnete Arzt an die Anweisungen des ihn leitenden Arztes gebunden. Der nachgeordnete Arzt hafte daher nur bei einem allein von ihm zu verantwortenden Verhalten, etwa, weil ihm eine Behandlung zur selbstständigen Ausführung überlassen wird, wenn er durch voreiliges Handeln einer ihm erteilten Anweisung der ärztlichen Leitung zuwiderhandelt, er pflichtwidrig eine gebotene Remonstration unterlässt oder ihm ein Übernahmeverschulden vorgehalten werden kann. Diese Grundsätze gelten entsprechend für das Verhältnis zwischen Chefarzt und Oberarzt.

Eine solche Remonstrationspflicht sei jedoch anzunehmen, wenn Anhaltspunkte vorliegen, nach denen für die angestellten Ärzte ein Vertrauen in die Anordnung des vorgesetzten Arztes nicht gerechtfertigt war und die für eine fehlerhafte Vorgehensweise sprechen. Im streitgegenständlichen Fall hatte der gerichtlich bestellte Sachverständige überzeugt dargestellt, dass die Gefährlichkeit der Anordnung (vorliegend betraf es das Eindringen von destilliertem Wasser in die Blutbahn) bereits Medizinstudenten bewusst sein müsse und es sich hierbei um medizinisches Basiswissen handele. Ausgehend davon trafen die beklagten Ärztinnen die Verpflichtung, Bedenken und fachliche Fragen jedenfalls aufzuwerfen.

Sowohl bzgl. der Oberärztin als auch der Assistenzärztin bejahte das OLG außerdem einen groben Behandlungsfehler mit den entsprechenden Folgen hinsichtlich der Beweislast. Ein Handeln auf Anordnung im Rahmen der vertikalen Arbeitsteilung ist damit für die Einordnung eines Behandlungsfehlers als grob nicht relevant. Vielmehr ist hier allein die objektive Betrachtungsweise maßgeblich.