Sind Sie als medizinischer Sachverständiger in einem zivilprozessualen Verfahren beauftragt worden? Oft haben sich Sachverständige im Haftungsprozess (gerade von Patientenseite) dem Vorwurf der Besorgnis der Befangenheit auszusetzen. In einer aktuellen Entscheidung hatte sich das Oberlandesgericht Köln im Rahmen der sofortigen Beschwerde mit einigen interessanten Fragen der Befangenheit eines medizinischen Sachverständigen auseinanderzusetzen (OLG Köln, B.v. 09.10.2025, Az. 5 W 28/25):

Rechtliche Einordnung
Nach § 406 ZPO können Sachverständige wie Richter in einem Verfahren auf begründeten Antrag abgelehnt werden. Hauptgrund hierfür ist die Besorgnis der Befangenheit deretwegen die Ablehnung stattfindet, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Es muss sich dabei um Tatsachen oder Umstände handeln, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung erwecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber. Der 5. Zivilsenat hatte sich hier mit der Problematik zu befassen, dass ein Sachverständiger zunächst in einem selbstständigen Beweisverfahren ein Gutachten erstattete und erst im Hauptsacheverfahren die Besorgnis der Befangenheit gerügt wurde. Das Landgericht Aachen hat den Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen als unzulässig und im Übrigen unbegründet zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss wandte sich der Beklagte erfolglos mit der sofortigen Beschwerde zum OLG Köln.

Entscheidung
Der Senat hatte hier über drei typische „Problemkomplexe“ zu entscheiden:

1) Rechtzeitigkeit des Antrags
Wann muss ein Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit gestellt werden? Die Regelung des § 406 Abs. 2 ZPO gibt hierüber Aufschluss, wonach ein entsprechendes Gesuch vor der Vernehmung des Sachverständigen, spätestens aber zwei Wochen nach Verkündung der Ernennung des Sachverständigen anzubringen ist. Dies ist faktisch also dann, wenn die Parteien von der Ernennung des Sachverständigen Kenntnis erlangen. In der Praxis handelt es sich hier meist um Fallgruppen, in denen der Sachverständige mit der Behandlung oder den Parteien in Verbindung steht (Vor- oder Nachbehandler, etc.) und dadurch nicht gewährleistet werden kann, dass er sein Gutachten neutral und unparteiisch erstattet. Alternativ kann ein Antrag später gestellt werden, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Dies sind Fälle, in denen sich im Laufe des Verfahrens Gründe ergeben, die an der Neutralität und Unparteilichkeit des Sachverständigen Zweifel sähen, meist also aufgrund von Aussagen oder Zweifeln an der Sachkunde (s.u.). Die Besonderheit im Verfahren war hier, dass bereits im Rahmen eines selbstständigen Beweisverfahrens eine Anhörung des Sachverständigen erfolgte. Nach Auffassung des Senats hätte daher bereits im Rahmen dieses „Vorverfahrens“ bei sorgfältiger Verfahrens- und Prozessführung die Besorgnis der Befangenheit gerügt werden können und müssen. Der erst im Hauptverfahren gestellte Antrag war verspätet und damit unzulässig.

2) Befangenheit aufgrund von Aussagen des Sachverständigen
Nach Auffassung der Kölner Richter kann die Besorgnis der Befangenheit auch nicht darauf gestützt werden, dass der Sachverständige die Frage einer Prozesspartei als „Unsinn“ bezeichnete. Der Senat führt hierzu aus: „Eine verständig urteilende Partei wird die einmalige mündliche Verwendung eines umgangssprachlichen Begriffs wie Unsinn durch einen Sachverständigen nicht als Herabwürdigung des rechtlichen und tatsächlichen Standpunkts der Partei, einer von ihr gestellten Frage oder ihrer Person verstehen, sondern als sprachliche Hervorhebung und Betonung des Umstandes, dass der Sachverständige die entsprechende Auffassung der Partei in besonders ausgeprägter Weise für unzutreffend hält. In einer mündlichen Verhandlung sollen sich alle Beteiligten frei, spontan und ungezwungen äußern können, was es mit sich bringt, dass Worte und Begriffe anders als in einem Gutachten oder Schriftsatz gewählt werden.“

3) Befangenheit aufgrund Mangels an Sachkunde
Ein Mangel an Sachkunde, Unzulänglichkeiten oder Fehlerhaftigkeit mögen – so der Senat in Bezug auf die Rechtsprechung des BGH- ein Gutachten entwerten, rechtfertigen für sich allein aber nicht die Besorgnis der Befangenheit. Hier müssten besonders gravierende Mängel vorliegen, etwa bei derart gehäuften Mängeln, die sicher oder mit überwiegender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf eine nicht neutrale und damit parteiische Vorgehensweise des Sachverständigen zulassen. Dies war hier aber nicht vorgetragen.

Praxistipp
Die Hürden, aus fachlicher Sicht die Besorgnis der Befangenheit zu rügen, sind hoch. Dennoch sollten Ärzte schon bei Eingang eines Gutachtenauftrags sorgfältig prüfen, ob sie das Gutachten erstatten können. Dies betrifft einerseits die Frage, ob sie mit den Prozessparteien oder der zu beurteilenden Behandlung in einer Verbindung stehen. Andererseits sollte genau analysiert werden, ob das Gutachten tatsächlich in das eigene Fachgebiet fällt. Bei Bedenken sollte der Gutachtenauftrag nicht oder nur mit Einschränkungen angenommen werden. Sollte es im Rahmen der Gutachtenerstattung, bei Ergänzungsfragen oder im Rahmen der Anhörung zu Fragen kommen, die aus fachlicher Sicht nicht beantwortet werden können, so empfiehlt es sich auch hier, dies gegenüber dem Gericht deutlich zu machen. So bieten sich keine Angriffspunkte für das Gutachten und die Integrität des Sachverständigen.

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