Externe Ärztinnen und Ärzte, die in einem Krankenhaus bei Abrechnung des Krankenhauses mit den Krankenkassen der Patienten tätig werden, können unter bestimmten Umständen als Selbstständige und nicht als abhängig Beschäftigte beurteilt werden. Dies hat das Bayerische Landessozialgericht mit Urteil vom 05.03.2024 (Az. L 7 BA 77/22) entschieden. Die Sache ist derzeit noch am Bundessozialgericht (Az. B 12 BA 4/24 R) anhängig.

Streitig war der sozialversicherungsrechtliche Status des Beigeladenen zu 1 in seiner Tätigkeit als Gynäkologe im Operationsbereich der Klägerin, einer Frauenklinik. Der Beigeladene zu 1 war von Januar bis Juni 2018 als angestellter Arzt bei der Klägerin tätig. Nach Beendigung dieser Tätigkeit trat der Beigeladene zu 1 als Gesellschafter der Gemeinschaftspraxis (GbR) bei und erbrachte seine ärztlichen Leistungen als niedergelassener Gynäkologe in eigener Praxis der GbR. Der GbR gehören zwei weitere Gynäkologen als Gesellschafter an; hinzu kommen bei der GbR angestellte Ärztinnen und Ärzte.

Da die GbR über keinen eigenen OP verfügt, wurde eine Kooperation mit der Klägerin über die Bereitstellung von OP-Kapazitäten inklusive Infrastruktur und OP-Team seitens der Klägerin an die GbR vereinbart. Die Klägerin hat keinen Einfluss darauf, welcher der für die GbR tätigen Ärzte die jeweilige OP durchführt; dies wird allein von der GbR bestimmt.

Die GbR ist aufgrund des Vertrages zu bestimmten Zeiten zur Nutzung des OPs und der dort befindlichen Geräte berechtigt. Die ärztlichen Leistungen (OP und stationäre Versorgung) werden seitens der Klägerin, der Klinik, gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet. Von den Zahlungen der Krankenkasse erhält die GbR einen bestimmten Prozentsatz, mindestens jedoch 19%, wobei für jeweils der Prozentsatz separat zwischen der Klägerin und der GbR verhandelt wird. Privatversicherte werden im Rahmen der streitgegenständlichen Kooperation nicht operiert.

Während der Operationen arbeitet der jeweilige Arzt der GbR mit dem nichtärztlichen OP-Team der Klägerin zusammen und ist diesem gegenüber auch weisungsberechtigt.

Die Patientinnen und Patienten, die im Rahmen der Kooperation im OP der Klägerin operiert werden, werden ausschließlich von der GbR akquiriert. Die stationäre Nachversorgung der Patienten übernimmt die Klägerin.

Vertragliche Verpflichtungen zwischen dem Beigeladenen zu 1 gegenüber der Klägerin bestehen nicht. Der Kooperationsvertrag besteht ausschließlich zwischen der Klägerin und der GbR. Auch die Verhandlungen übernimmt ausschließlich die GbR, nicht der Beigeladene zu 1. Wie der Beigeladene zu 1 vergütet wird und welcher Anteil der seitens der Klägerin geleisteten Zuzahlungen ihm zufließen, entzieht sich der Kenntnis der Klägerin.

Die Beklagte hatte den Beigeladenen zu 1 aufgrund einer abhängigen Beschäftigung als versicherungspflichtig angesehen. Die Klägerin ist der Auffassung, bei dem Arzt handele es sich um einen Selbstständigen, welcher nicht der Versicherungspflicht unterliege.

Die Klage hatte in erster Instanz Erfolg. Die Berufung der Beklagten wurde als unbegründet zurückgewiesen.

Nach Auffassung des Senates stelle sich im vorliegenden konkreten Einzelfall das Gesamtbild der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 für die GbR bei der Klägerin so dar, dass es sich um eine selbständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 handele. Das Gesamtbild sei geprägt vom Kooperationsvertrag zwischen der Klägerin und der GbR und die darauf basierende praktische Durchführung.

Ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergebe sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, weshalb die Rechtsbeziehung und die praktizierte Beziehung maßgeblich seien. Dabei war vom LSG auch zu berücksichtigen, dass die ärztliche Tätigkeit im Krankenhaus Besonderheiten aufweist. So arbeiten Ärzte im Krankenhaus grundsätzlich frei und eigenverantwortlich. Hieraus könne, so das LSG, nicht ohne Weiteres auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen werden. Umgekehrt könne nicht allein wegen der Benutzung von Einrichtungen und Betriebsmitteln des Krankenhauses zwingend eine abhängige Beschäftigung angenommen werden.

Zwar habe das BSG noch nicht ausdrücklich entschieden, ob und in welchem Umfang eine selbstständige ärztliche Tätigkeit im Krankenhaus leistungs- und vergütungsrechtlich zulässig sei, der BGH und das BVerfG gehen hiervon in einem gewissen Umfang jedoch aus.

Ausgehend davon, dass der Kooperationsvertrag zwischen der Klägerin und der GbR die rechtmäßige Grundlage des Tätigwerdens des Beigeladenen zu 1 für die GbR bei der Klägerin sei, stellen sowohl der Kooperationsvertrag als auch seine praktische Durchführung die Beurteilungsgrundlage dar. Im Ergebnis sei der Beigeladene zu 1) als Selbstständiger anzusehen. Dies begründete das LSG wie folgt:

  1. Der Arzt übt seine Tätigkeit bei der Klägerin weisungsfrei aus. Die Klägerin stellt lediglich der GbR die Ressourcen zur Verfügung, bei der praktischen Durchführung der Operationen macht sie hingegen keine Vorgaben.
  2. Es fehlt vorliegend an dem für eine abhängige Beschäftigung typischen Merkmal der Pflicht zur höchstpersönlichen Erbringung der Dienstleistung. Die Klägerin hat nach Festlegung einer bestimmten OP kein Mitbestimmungsrecht, welcher Arzt der GbR die Operation als Verantwortlicher durchführt.
  3. Die Tätigkeit wird vom Beigeladenen zu 1 nicht in einer für ein Beschäftigungsverhältnis typischen Weise verrichtet. Organisiert ein Unternehmen – hier die GbR – die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen trotz Tätigkeit in einem Krankenhaus nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und bleibt nach vertraglicher Vereinbarung das Unternehmen vertraglich nach wie vor selbst verpflichtet, spricht das für eine selbständige Tätigkeit des für das Unternehmen Tätigen. Dabei kommt der GbR im vorliegenden Fall auch ein unternehmerischer Gestaltungsspielraum zu.
  4. Anders als bei einer Ein-Personen-Gesellschaft kann im Einzelfall die Vergütung durch das Krankenhaus dann auch nicht einer bestimmten Person zugeordnet werden. Es erfolgt zwischen der Klägerin und der GbR keine stundenweise Abrechnung von Dienstleistungen der GbR, sondern es findet eine Abrechnung über im Einzelfall verhandelte Pauschalen statt. Die Vergütung der operierenden Gesellschafter und angestellten Ärztinnen und Ärzte wird ausschließlich innerhalb der GbR festgelegt.
  5. Der Beigeladene zu 1 trägt als Gesellschafter der GbR ein wirtschaftliches Risiko, was ebenfalls gegen eine abhängige Beschäftigung bei der Klägerin spricht.

 

Im Ergebnis, so das LSG, stelle sich damit die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 für die Klägerin in seinem Gesamtbild nach als selbstständige Tätigkeit dar.