Für Kliniken ist die Frage, ob lediglich eine ambulante Notfallbehandlung oder schon eine stationäre Krankenhausbehandlung vorliegt, von Bedeutung, da hiervon nicht unwesentliche Folgefragen der Vergütung abhängen. Bei unzutreffender Abrechnung drohen indes Honorarberichtigungen und Rückforderungen, weshalb die genaue Abgrenzung zwischen ambulanter Notfallbehandlung und stationärer Krankenhausbehandlung immer wieder von ausschlaggebender Bedeutung ist.
Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hatte sich unlängst erneut mit der Abgrenzungsfrage zu beschäftigen und betonte die durch die Rechtsprechung des BSG (sog. „Schockraum-Urteile“) aufgestellten Grundsätze an die stationäre Aufnahme (LSG Berlin-Brandenburg (9. Senat), Urteil vom 20.03.2025 – L 9 KR 42/23).
Sachverhalt
Im Fall stritten eine Krankenversicherung sowie die Rechtsträgerin einer Klinik über die Abrechnung einer stationären Behandlung über die DRG-Fallpauschale. Gegenstand des Streits war insbesondere die Frage, ob bereits eine stationäre Aufnahme erfolgte und die Behandlung eines Patienten, der mit Atembeschwerden und Schmerzen in der Brust mit Ausstrahlung in den linken Arm vorstellig wurde, schon eine stationäre Krankenhausbehandlung darstellt.
Um 05:28 Uhr wurde ein EKG durchgeführt und ausgewertet. Dem Versicherten wurde ein peripherer Venenkatheter gelegt, über den er nach Angabe der Klägerin um 05:30 Uhr drei verschiedene Infusionen erhielt (Heparin, ASS und Perfalgan). Um 05:44 Uhr wurde ein kleines Blutbild erhoben und um 05:53 Uhr wurde ein Thorax-Röntgen durchgeführt. Im Anschluss wurde dem Versicherten ein Bett in unmittelbarer Nähe zur Rettungsstelle zugewiesen. Gegen 6.00 Uhr lag der Röntgenbefund vor, welcher keine pathologischen Auffälligkeiten zeigte. Dasselbe galt für die Blutuntersuchung, deren Ergebnisse um 06:19 Uhr vorlagen. Um 06:20 Uhr schlief der Versicherte laut der Verlaufsdokumentation. Es erfolgten mehrere Messungen der Vitalparameter per Monitoring sowie durch das Pflegepersonal. Um 08:00 Uhr lehnte der Versicherte ein Frühstück ab. Um 09:04 Uhr erfolgte eine weitere Erhebung von Blutparametern (Blutgasanalyse) mittels RapidPoint (Point of Care-Diagnostik). Um 10:03 Uhr wurden erneut Troponin und Kreatinkinase erhoben. Um 10:17 Uhr wurde ein weiteres EKG geschrieben. Der Patient stabilisierte sich. Anhand der Verlaufskontrolle und der eingeleiteten Diagnostik konnte der Verdacht auf einen Myokardinfarkt widerlegt werden. Es wurde festgestellt, dass der Patient „nur“ an einer Angina pectoris litt. Um 11:20 Uhr wurde der Venenkatheter gezogen, um 11:35 Uhr wurde der Versicherte entlassen.
Die Klinik rechnete hierfür die DRG F74Z unter Abzug eines Kurzliegerabschlags ab. Die beklagte Krankenversicherung zahlte den Betrag in Höhe von 702,80 Euro, beauftragte jedoch den örtlich zuständigen MDK mit der Prüfung der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung. Nachdem dieser die Notwendigkeit verneinte, verrechnete die Krankenversicherung den zuvor gezahlten Betrag mit weiteren Abrechnungen der Klinik. Die Klage der Klinik vor dem Sozialgericht Berlin auf Zahlung hatte Erfolg.
Entscheidungsgründe
Gegen die Entscheidung des SG Berlin wandte sich die Versicherung jedoch mit Erfolg mit dem Rechtsmittel der Berufung. Das LSG Berlin-Brandenburg hob die erstinstanzliche Entscheidung auf und wies die Zahlungsklage ab. In den amtlichen Leitsätzen heißt es hierzu:
1.Bei der Abgrenzung einer ambulanten Notfallbehandlung von einer stationären Krankenhausbehandlung ist stets eine Einzelfallprüfung erforderlich.
2.Sieht der konkrete Behandlungsplan bei einem Verdacht auf einen Myokardinfarkt zunächst nur diagnostische und therapeutische Maßnahmen für die nächsten sechs Stunden vor, da sich erst im Anschluss der weitere Behandlungsweg (ambulante oder stationäre Weiterbehandlung) entscheidet, und werden ausschließlich Maßnahmen geringer Intensität in zeitlicher Abfolge durchgeführt, liegt unabhängig von dem konkreten Ort der Leistungserbringung lediglich eine der Aufnahmeentscheidung vorgelagerte Diagnostik und Behandlung und damit keine stationäre Krankenhausbehandlung vor.
Nach Auffassung des Senats wurde die Leistung nicht als stationäre Krankenhausleistung, sondern als ambulante Notfallbehandlung nebst Aufnahmediagnostik einer an einem Krankenhaus angesiedelten Notaufnahme erbracht. Hintergrund ist, dass nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (sog. „Schockraum-I-Rechtsprechung“) nach dem Wortlaut des § 39 SGB V eine „Aufnahme“ in das Krankenhaus vorausgesetzt wird. Dies erfordert die organisatorische Eingliederung des Patienten in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses, d.h. der Patient soll nach der Entscheidung des Krankenhausarztes mindestens einen Tag und eine Nacht ununterbrochen im Krankenhaus versorgt werden. Maßgeblich ist hierbei nicht die tatsächliche Behandlungsdauer im Krankenhaus, sondern die zur Zeit der Aufnahmeentscheidung auf Grundlage des hierbei getroffenen Behandlungsplans prognostizierte. Im Fall sah der konkrete Behandlungsplan die Prüfung des dringenden Verdachts eines Myokardinfarktes vor, welcher nach klinikinternen „SOP – Akutes Koronarsyndrom“ regelhaft nach zweimaliger EKG-Ableitung und Troponinwertbestimmung im Abstand von vier Stunden zuzüglich Röntgen-Thorax nach sechs Stunden entweder zur Entlassung des Patienten bei einem nichtbestätigten Verdacht oder zum Verbleib in der Klinik mit einer Verlegung auf die Station führt. Vor diesem Hintergrund lag mit der Entscheidung zur Aufnahme des Versicherten zur Durchführung der Differentialdiagnostik zum Ausschluss eines Myokardinfarktes um 05:21 Uhr gerade noch keine endgültige Entscheidung zur Aufnahme des Versicherten in die Strukturen des Krankenhauses der Klägerin für einen Tag und eine Nacht vor.
Etwas anderes ergab sich nach Auffassung der Berliner Richter auch nicht unter Berücksichtigung der mit der Gabe von Heparin und ASS eingeleiteten Notfallbehandlung, da diese die personellen und sächlichen Ressourcen des Krankenhauses nicht in nennenswertem Maße beanspruchte bzw. nicht die für eine stationäre Behandlung entscheidende „hohe Intensität“ aufwies. In solchen Fällen kann nach der Rechtsprechung des BSG nämlich ausnahmsweise auch bei unter 24 Stunden liegenden Behandlungen eine stationäre Aufnahme vorliegen (sog. „Schockraum-II-Rechtsprechung“).
Praxishinweis
Die Vergütung von Krankenhausleistungen stellt die Rechtspraxis immer wieder vor Probleme, da das wesentliche Abgrenzungsmerkmal der „Aufnahme“ -wie auch die Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg zeigt- stark einzelfallabhängig ist. Die erstversorgenden Ärzte in der Notaufnahme müssen daher Bewusstsein dafür haben, welche weitreichenden Folgen ihre Aufnahmeentscheidung hat. Freilich sollte dies nicht dazu verleiten, vorschnelle oder unbegründete Aufnahmeentscheidungen zu treffen. Wie der Fall zeigt, können diese auch nachträglich in Zweifel gezogen und angefochten werden mit der Folge, dass die Vergütung entfällt. Daher ist eine sorgfältige Planung und Abgrenzung von ausschlaggebender Bedeutung! Haben Sie Fragen hierzu? Sprechen Sie uns gerne an.