Das Werberecht stellt die ärztliche Berufsausübung immer wieder vor eine Vielzahl rechtlicher Fragen. Das Berufsrecht stellt hierzu unmissverständlich klar, dass der ärztliche Beruf kein Gewerbe, sondern seiner Natur nach ein freier Beruf ist (vgl. § 1 Musterberufsordnung für die Ärzte). Dennoch treten Ärzte rein faktisch untereinander in Wettbewerb. Der Gedanke, dass jede Praxis ihre Schwerpunkte und Alleinstellungsmerkmale mitteilen möchte, liegt verständlicherweise auf der Hand. An Bedeutung gewinnen diese Fragen vor dem Hintergrund neuer Versorgungsformen, wie zum Beispiel der Videosprechstunde. Darf man hierfür Werbung machen?

Rechtliche Ausgangslage

Ausgangspunkt ist das ärztliche Werberecht. Dieses ist wegen der Rechtsnatur des Arztberufes nicht uneingeschränkt möglich. Einschränkungen ergeben sich insbesondere aus dem ärztlichen Berufsrecht sowie dem Heilmittelwerberecht und sogar dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Diese Regelungen können und dürfen -so das Bundesverfassungsgericht- Ärzte in der Ausübung ihres Berufs, also dem „Wie“ der Tätigkeit, z.B. in der Frage des Außenauftritts, einschränken. Hintergrund ist, dass der Berufsausübungsfreiheit des Arztes vernünftige Überlegungen des Allgemeinwohls entgegenstehen: Ärzte müssen also bei ihrem Außenauftritt beachten, dass die Interessen der Patienten und die Integrität des ärztlichen Berufsstands geschützt werden. Daher ist grundsätzlich nur „sachliche Information“ als Werbung erlaubt. Unzulässig ist hingegen im Umkehrschluss eine Werbung, die irreführend, anpreisend oder vergleichend ist um letztlich zu vermeiden, dass Patienten verunsichert und ihre freie Arztwahl beeinträchtigt wird. Durch die strengen Vorgaben soll auch einer Kommerzialisierung des ärztlichen Selbstverständnisses entgegengewirkt werden. Die Möglichkeiten ärztlicher Werbung sind trotz der Grenzen grundsätzlich vielfältig: Ärzte können verschiedene Werbemittel nutzen, darunter Praxisschilder, Anzeigen in Printmedien, Informationsbroschüren, Radio- und Fernsehwerbung sowie die Erstellung einer eigenen Praxishomepage oder die Nutzung von Internetportalen oder Social Media.

Neuerungen durch das Digitale-Versorgungs-Gesetz (DVG)?

Doch wie steht es um neue Versorgungsformen, allen Voran die Möglichkeit der Fernbehandlung? Telemedizinische Verfahren sind unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 4 der MBO-Ä zulässig. Auch das Vertragsarztrecht sieht die Möglichkeit der (zusätzlichen) Videosprechstunde in § 24 Abs. 8 der Ärzte-ZV vor. Wenn eine Arztpraxis also diese Versorgungsform anbieten möchte, scheint es naheliegend, die Patienten in geeigneter Form hierauf aufmerksam zu machen.

Bislang war es durch das Heilmittelwerberecht untersagt, die reine Fernbehandlung (also die Behandlung ohne Arzt-Patienten-Kontakt) zu bewerben. In § 9 Satz 1 HWG hieß es hierzu: „Unzulässig ist eine Werbung für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen oder Tier beruht (Fernbehandlung).“

Im Rahmen des Digitale-Versorgungs-Gesetzes hat der Gesetzgeber jedoch auf die Erleichterung der Fernbehandlung im Berufsrecht und Vertragsarztrecht reagiert. Die dahinterstehende Intention ist nämlich, auf die zunehmende Digitalisierung und die steigenden technischen Möglichkeiten zu reagieren. Schon längst ist der tatsächliche, also physische Arzt-Patienten-Kontakt nicht mehr für sämtliche Behandlungs- oder Beratungssituationen zwingend. Man denke hier an reine Kontrolltermine oder ärztliche Beratungen. Insbesondere bieten Fernkommunikationsmöglichkeiten wie z.B. die Videosprechstunde vergleichbare Gesprächssituationen. Das Behandlungszimmer wird also faktisch in den virtuellen Raum verlagert.

Da die Telemedizin zunehmend an Bedeutung gewinnt und Erleichterungen für Ärzte und Patienten gleichermaßen mit sich bringt, stellt sie für Arztpraxen auch einen erheblichen wirtschaftlichen Faktor dar. Dass der einzelne Arzt diese neue Versorgungsform auch bewerben will, liegt auf der Hand. Hierauf hat der Gesetzgeber reagiert, und in § 9 HWG einen zweiten Satz eingefügt, der das absolute Werbeverbot für Fernbehandlung relativiert. Konkret heißt es nun:

„Satz 1 ist nicht anzuwenden auf die Werbung für Fernbehandlungen, die unter Verwendung von Kommunikationsmedien erfolgen, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist.“

Somit ist Werbung für die Fernbehandlung dann zulässig, wenn Kommunikationsmedien eingesetzt werden und ein persönlicher Kontakt nicht erforderlich ist. Nicht sicher ist allerdings, was der Gesetzgeber mit der Voraussetzung meint, dass der persönliche Kontakt zum Patienten „nach den allgemein anerkannten fachlichen Standards“ nicht erforderlich ist. Die ausschließlich telemedizinische Behandlung ist im Vergleich nach den Regelungen des Berufsrechts zulässig, wenn dies im Einzelfall „ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt (…) gewahrt (…) wird.“ Während also die Zulässigkeit der telemedizinischen Behandlung im Einzelfall von der Ermessenentscheidung des Arztes abhängig ist, soll Werbung für die zulässige Fernbehandlung wiederum nur dann zulässig sein, wenn allgemein anerkannte fachliche Standards einen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt als nicht erforderlich ansehen. Solche allgemeinen Standards (was auch immer darunter zu verstehen ist) existieren jedoch bislang nicht. Es entsteht also nicht etwa die gewünschte Rechtssicherheit, sondern vielmehr ein weiteres Einfallstor für Rechtsfragen.

Praxishinweis

Statt der Schaffung einer klaren Rechtslage wird erneut die Zeit zeigen müssen, wie die auslegungsbedürftigen Merkmale der gesetzlichen Neuregelung des § 9 HWG durch die Rechtsprechung konkretisiert werden. Für Ärzte ist es somit ratsam, weiterhin an den bekannten Geboten der sachlichen Information festzuhalten. Hier wäre beispielsweise denkbar, die Patienten darüber zu informieren, dass die Praxis „in geeigneten Fällen“, also unter dem Vorbehalt medizinischer Prüfung die Videosprechstunde als zusätzliches Angebot bereithält. Ein Anspruch des Patienten besteht hierauf freilich nicht, da -wie das Berufsrecht zeigt- eine reine Fernbehandlung nur bei ärztlicher Vertretbarkeit in Betracht kommt.

Haben Sie Fragen zur Fernbehandlung und den ärztlichen Werbemöglichkeiten? Sprechen Sie uns gerne an!