Das OLG Köln hatte sich in einer unlängst getroffenen Entscheidung (Urt. V. 08.10.2025, Az. 5 U 22/25) mit der Abgrenzung von Primär- und Sekundärschäden nach dem Einsatz einer Hüfttotalendoprothese zu beschäftigen.
Der Fall
Die Klägerin unterzog sich in der Klinik der Beklagten einer Hüft-TEP. Hierbei -so die erstinstanzlichen Feststellungen- ereignete sich ein Behandlungsfehler dergestalt, dass es bei dem Entfernen von ausgehärtetem Zement aus dem Schaft zu einem Defekt des Femurs, dem Abbruch des Trochanters und einer größeren Gewebetraumatisierung kam. In der Folge entwickelte sich nach mehreren Tagen ein Serom sowie eine Wundheilungsstörung, was einen längeren stationären Aufenthalt nach sich zog. Die auf Schadensersatz und Feststellung des Ersatzes weiterer Zukunftsschäden gerichtete Klage hatte vor dem Landgericht Köln in erster Instanz keinen vollständigen Erfolg. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit der Berufung zum OLG Köln.
Die Entscheidung
In den veröffentlichten amtlichen Leitsätzen stellte das Gericht klar:
1.Kommt es beim Einsatz einer Hüfttotalendoprothese bei der Entfernung von infolge eines Behandlungsfehlers ausgehärtetem Zement aus dem Schaft zu einem Defekt des Femurs, dem Abbruch des Trochanters und einer größeren Gewebetraumatisierung stellen ein sich nach mehreren Tagen entwickelndes Serom, eine Wundheilungsstörung und die Kosten des deshalb längeren stationären Aufenthalts Sekundärschäden dar.
2.Auch für typische Sekundärschäden, die an der sich aus einem groben Behandlungsfehler folgenden Beweislastumkehr teilhaben, gilt im Falle eines einfachen Behandlungsfehlers für den Nachweis der Kausalität das erleichterte Beweismaß des § 287 ZPO im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit.
Abgrenzung Primär- und Sekundärschaden
In seinem Urteil ging der 5. Zivilsenat zunächst auf die Abgrenzung von Primär- und Sekundärschäden ein. Der Primärschaden sei in dem ersten Verletzungserfolg zu sehen. Dieser lag im Falle der Patientin in der Notwendigkeit der operativen Entfernung des verfrüht ausgehärteten Zements, der zu einem Knochendefekt am Femur und einem Abbruch des Trochantermassivs führte und die Operationsdauer verlängerte. Alle weiteren zeitlich nachfolgend bei der Patientin eingetretenen Fehlerfolgen seien demgegenüber als Sekundärschäden zu qualifizieren. Dies betreffe insbesondere die mit einem großen zeitlichen Abstand zur Operation eingetretene Entstehung eines Seroms, das nach den weiteren Feststellungen des Sachverständigen der maßgebliche Grund für den deutlich verlängerten stationären Aufenthalt der Patientin war.
Beweismaß bei Sekundärschäden
Eine immer wieder in Haftungsprozessen relevante Thematik ist diejenige, welches Beweismaß die Klagepartei hinsichtlich der Kausalität von Verletzungserfolg und Schaden trifft. Dies wird insbesondere dann relevant, wenn die Ausführungen des Sachverständigen den Schluss zulassen, dass das fehlerhafte Verhalten des Behandelnden einen groben Behandlungsfehler mit der Folge einer Beweislastumkehr hinsichtlich der Kausalität zu begründen vermögen. Nach der Rechtsprechung des BGH erstreckt sich die Beweislastumkehr beim groben Behandlungsfehler auf den Primärschaden sowie „typische Sekundärschäden“. Der Typizität von Sekundärschäden kommt in rechtlicher Hinsicht also dann eine Relevanz zu, soweit ihre Einbeziehung in die aus einem groben Behandlungsfehler resultierende Beweislastumkehr in Rede steht. Die Erweiterung der Beweislastumkehr auf typische Sekundärschäden führe indes nicht dazu, dass typische Sekundärschäden in rechtlicher Hinsicht als Primärschäden zu qualifizieren wären und abseits einer Beweislastumkehr des Vollbeweises gemäß § 286 ZPO bedürften. Sie sind und bleiben Sekundärschäden. Für sie gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes das Beweismaß des § 287 ZPO. Dieses stellt gegenüber dem Vollbeweis eine Beweiserleichterung dar. Der Beweisführer muss andere, weniger wahrscheinliche Verlaufsmöglichkeiten und Ursachenzusammenhänge nicht über jeden vernünftigen Zweifel hinaus ausschließen; es genügt vielmehr je nach Lage des Einzelfalles eine höhere bzw. deutlich höhere Wahrscheinlichkeit („überwiegende Wahrscheinlichkeit“) des vom Beweisführer behaupteten Verlaufs gegenüber anderen möglichen und denkbaren Verläufen.