Zwei aktuelle Urteile zur Abrechnungsberechtigung im MVZ bzw. zur „Unzeit“:

 

BGH-Urteil vom 19.O8.2O2O – 5 StR 558/19

Dem Urteil des Bundesgerichtshofs lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der angeklagte Apotheker beabsichtigte, ein MVZ (Medizinisches Versorgungszentrum) zu erwerben, um sich neue Absatzquellen für von ihm hergestellte hochpreisige Medikamente zu erschließen. Über die MVZ- Beteiligung erhoffte er sich, Einfluss auf das Verordnungsverhalten der dort tätigen Ärzte zu sichern. Hierbei war dem Apotheker bewusst, dass die MVZ-Beteiligung von Apothekern nach § 95 Abs. 1 a SGB V seit Januar 2012 nicht mehr zulässig war. Um dieses Beteiligungsverbot zu umgehen, setzte er einen ärztlichen „Strohmann“ ein, über den er die Mehrheitsanteile an dem MVZ erwarb. Die Umgehung des Beteiligungsverbots war allen Beteiligten hinreichend bekannt. Daraufhin zahlte die KV im guten Glauben und Vertrauen auf die Abrechnungsberechtigung des MVZ fast 1,5 Mio. € für ärztliche Leistungen an das MVZ aus. Für die in der Apotheke des Angeklagten eingelösten Verordnungen wurde durch eine Krankenkasse ein weiterer Betrag in Höhe von 150.000,00 € ausbezahlt. Das LG Hamburg hat den Apotheker und zwei Ärzte wegen mehrfachen, teils banden- und gewerbsmäßig begangenen Betrugs zu Freiheitsstrafen verurteilt. Der BGH hat dieses Urteil weitgehend bestätigt.

 

Urteil des Bundessozialgerichts vom 15.O7.2O2O, Az. B 6 KA 13/19 R

In diesem aktuellen Urteil bestätigte das Bundessozialgericht, dass Ärzte, die sich im Notfall für ihre Patienten per Handy bereithalten und das bei Anruf auch abrechnen, hierfür nicht bestraft werden dürfen. Die „Unzeitgebühr“ gilt somit auch, wenn Patienten das Arzt-Handy anrufen. Eine Grenze sei nach Auffassung des BSG erst dann erreicht, wenn Abendtermine zum Geschäftsmodell werden würden. Im entschiedenen Fall ging es um eine überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft für Anästhesiologie in Bayern, die sich auf belegärztliche Leistungen bei ambulanten Operationen spezialisiert hatte. Wegen „ auffälliger Tagesarbeitszeiten“ führte die KV Bayerns eine Plausibilitätsprüfung durch, welche mit einer Honorarberichtigung, insbesondere wegen der häufigen Abrechnung der sogenannten Unzeitgebühr (GOP 01100), endete. Das BSG stellt hierzu nun klar, dass Ärzte durchaus eine Telefonnummer herausgeben dürfen, unter der sich Patienten notfalls auch außerhalb der Sprechzeiten melden können. Im Bereich der Anästhesie seien postoperative Komplikationen selten. Allein die Herausgabe einer Not-Telefonnummer könne daher nicht als Organisation eines eigenen Bereitschaftsdienstes angesehen werden, sodass die Unzeitgebühr grundsätzlich abrechnungsfähig sei. Allerdings, so das BSG, dürfe dies nicht zum Geschäftsmodell werden. So sei die Unzeitgebühr nicht abrechnungsfähig, wenn ein Arzt selbst Patienten zur abendlichen Kontrolle einbestellt oder ausdrücklich zu einem Anruf nach Schließung der Praxis auffordert. Gleiches gelte, wenn Patienten zur „Unzeit“ die Praxis des Operateurs aufsuchen und dort dann auch noch auf den Anästhesisten treffen.